Glaube der Lüge: Ein Inspector-Lynley-Roman (German Edition)
unstillbaren Hunger auf Skandale hatte. Der erste Besuch das Mannes in Cumbria hatte sie nervös gemacht, aber als er zum zweiten Mal aufgetaucht war, hatte sie Höllenqualen gelitten. Am meisten fürchtete sie ein Foto in der Zeitung, auf dem sie erkannt würde. Und jetzt war ihr auch noch diese Rothaarige auf den Fersen.
»Was haben Sie ihr gesagt?«, fragte Alatea so ruhig, wie es ihr möglich war.
»Die Wahrheit über das Thema Leihmutterschaft. Aber das meiste wusste sie schon.«
»Was meinen Sie mit Wahrheit?«
»Na ja, die verschiedenen Möglichkeiten, die es gibt, was legal ist und was nicht, und so weiter. Zuerst habe ich mir nichts dabei gedacht, irgendwie konnte ich nachvollziehen, was sie getan hatte. Ich meine, wenn eine Frau verzweifelt ist …« Lucy zögerte.
»Fahren Sie fort«, sagte Alatea. »Wenn eine Frau verzweifelt ist …?«
»Dann schreckt sie vor nichts zurück. Deswegen kam es mir alles in allem gar nicht so abwegig vor, dass eine Frau, die zu einer Beratung ins George Childress Centre gegangen war und uns irgendwo auf dem Korridor zusammen gesehen hatte, womöglich …«
»Womöglich was?«
»… eine Chance gewittert hatte. Letztlich haben wir beide uns ja auch auf diese Weise kennengelernt.«
»Nein. Ich habe mich auf eine Anzeige von Ihnen gemeldet.«
»Richtig. Aber ich spreche von dem Gefühl, das dahintersteckt. Von dieser Verzweiflung. Denn darüber hat sie die ganze Zeit geredet. Dachte ich zumindest.«
»Und dann?«
»Na ja, deswegen rufe ich Sie an. Nach dem Gespräch habe ich sie zur Tür begleitet, und wir haben uns verabschiedet. Sie ging die Straße hinunter, und von einem Fenster im Korridor habe ich dann zufällig gesehen, wie sie plötzlich auf dem Absatz kehrtgemacht hat und wieder zurückgegangen ist. Zuerst dachte ich, sie wollte mich noch etwas fragen, doch sie ist am Invalidenheim vorbeigegangen und in ein Auto gestiegen.«
»Vielleicht hatte sie vergessen, wo sie geparkt hatte«, sagte Alatea, obwohl sie das eigentlich selbst nicht glaubte.
»Das dachte ich auch zuerst. Aber offenbar saß jemand in dem Auto, denn sie ist auf der Beifahrerseite eingestiegen, und jemand hat ihr von innen die Tür aufgehalten. Also bin ich am Fenster stehen geblieben und habe gewartet, bis das Auto vorbeifuhr. Am Steuer saß ein Mann. Und das hat mich misstrauisch gemacht, verstehen Sie? Ich meine, wenn sie mit ihrem Mann hier war, warum haben die beiden dann nicht gemeinsam mit mir gesprochen? Warum hat sie ihn nicht erwähnt? Mir erzählt, dass er draußen im Auto wartet? Doch sie hat ihn mit keinem Wort erwähnt.«
»Wie sah der Mann aus, Lucy?«
»Ich konnte ihn nicht richtig sehen, es ging alles zu schnell. Aber es schien mir das Beste, Sie anzurufen, weil … Na ja, Sie wissen schon. Die ganze Sache ist sowieso schon riskant …«
»Ich kann Ihnen mehr bezahlen.«
»Das ist nicht der Grund, warum ich anrufe, um Gottes willen. Wir haben uns doch längst auf einen Preis geeinigt. Ich versuche nicht, noch mehr Geld aus Ihnen herauszuquetschen. Ich wollte nur, dass Sie wissen …«
»Dann sollten wir die ersten Schritte unternehmen. Und zwar möglichst bald.«
»Na ja, das ist es ja gerade, wissen Sie. Ich würde eher vorschlagen, dass wir noch ein bisschen länger warten. Ich glaube, wir müssen uns vergewissern, dass diese Frau, wer auch immer sie sein mag, uns nicht gefährlich wird. Dann können wir vielleicht in einem Monat …«
»Nein! Wir haben doch alles vorbereitet. Wir können nicht länger warten!«
»Doch, Alatea, ich finde, das sollten wir tun. Ich schlage Folgendes vor: Sobald sich herausstellt, dass es wirklich reiner Zufall war, dass diese Frau uns gesehen und mich angesprochen hat, legen wir los. Ich gehe schließlich ein größeres Risiko ein als Sie.«
Alatea fühlte sich wie benommen, das Atmen fiel ihr schwer. »Sie haben mich in der Hand«, sagte sie.
»Alatea, meine Liebe, es geht nicht um Macht. Es geht um Sicherheit. Um Ihre und meine. Schließlich bewegen wir uns am Rande der Legalität. Und es geht auch noch um eine Reihe anderer Dinge, über die wir aber jetzt nicht sprechen müssen.«
»Was für Dinge?«, wollte Alatea wissen.
»Nichts, nichts. Das war nur so dahingesagt. Hören Sie, ich muss zurück an die Arbeit. Wir sprechen uns in ein paar Tagen wieder. Machen Sie sich keine Sorgen, okay? Ich stehe Ihnen weiterhin zur Verfügung, nur nicht jetzt sofort. Nicht, solange wir nicht mit Sicherheit wissen, dass das Auftauchen
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