Glaube der Lüge: Ein Inspector-Lynley-Roman (German Edition)
überhaupt nicht ausstehen.
Manette berichtete Niamh kurz, was sie wusste. »Ist er hier bei dir aufgetaucht?«, fragte sie, als sie geendet hatte.
»Nicht dass ich wüsste«, antwortete Niamh. »Aber ich war auch nicht die ganze Zeit zu Hause. Vielleicht war er hier und ist wieder gegangen.«
»Wir würden gern nachsehen«, sagte Freddie.
»Wieso? Glaubt ihr vielleicht, ihr findet ihn unterm Bett? Glaubt ihr, ich verstecke ihn vor euch?«
»Wir dachten, er versteckt sich vielleicht vor dir «, sagte Manette. »Was ihm niemand verdenken würde. Machen wir uns doch nichts vor, Niamh. Was ein Junge aushalten kann, hat seine Grenzen, und ich glaube, Tim hat diese Grenze erreicht.«
»Was willst du damit sagen?«
»Ich glaube, das weißt du ganz genau. Was du in letzter Zeit hier treibst …«
Freddie legte ihr eine Hand auf den Arm und sagte ruhig: »Vielleicht hat Tim sich ins Haus geschlichen, als du geschlafen hast. Oder er hat sich in der Garage verkrochen. Würde es dir etwas ausmachen, wenn wir mal nachsehen? Es dauert nicht lange, und dann bist du uns los.«
Manette sah Niamh an, dass sie das Gespräch gern weitergeführt hätte, aber dann würden sie unweigerlich wieder bei demselben leidigen Thema landen, und das wollte Manette sich ersparen. Niamh war davon überzeugt, dass Ian sie verraten hatte, dass er mit seinen Sünden ihre Familie zerstört hatte, und sie war nicht bereit, Gras über die Sache wachsen zu lassen und ihren Kindern zu helfen, die schlimmen Zeiten zu überwinden.
Sie sagte: »Tu, was du nicht lassen kannst, Freddie«, und machte weiter mit dem Aufräumen.
Das Haus zu durchsuchen nahm weniger als fünf Minuten in Anspruch. Im ersten Stock gab es drei Zimmer und ein Bad. Es war nicht anzunehmen, dass Tim sich im Zimmer seiner Mutter versteckt hatte, denn dann hätte er ihren Liebesspielen lauschen müssen. Also blieben die beiden Kinderzimmer, die Manette durchsuchte, während Freddie sich die Garage vornahm.
Zurück im Wohnzimmer sahen sie sich nur an und schüttelten wortlos den Kopf. Sie mussten woanders weitersuchen. Doch vorher wollte Manette noch ein Wörtchen mit Tims Mutter wechseln. Niamh kam gerade mit einer Tasse Kaffee aus der Küche. Ihren ungebetenen Gästen hatte sie keinen angeboten. Umso besser, dachte Manette, denn sie hatte nicht vor, sich länger als unbedingt nötig hier aufzuhalten.
»Es wird Zeit, dass die Kinder wieder nach Hause kommen«, sagte sie zu Niamh. »Du hast deinen Standpunkt klargemacht, und es gibt keinen Grund, weiterhin diese Show abzuziehen.«
»Ach du je«, sagte Niamh und bückte sich, um etwas aufzuheben, das unter einen Sessel gerutscht war. »Charlie und seine Spielchen …«
Manette sah, dass es sich um ein Sexspielzeug handelte, und zwar um einen Vibrator, den Niamh grinsend auf den Couchtisch legte. »Was wolltest du mir eben sagen, Manette?«, fragte sie.
»Du weißt genau, was ich dir sagen wollte. Du hast dir die Titten vergrößern lassen, und du bestellst diesen armen Trottel von Charlie jeden Abend hierher, damit er es dir besorgt …«
»Manette«, sagte Freddie.
»Nein, lass mich«, entgegnete sie. »Es wird Zeit, dass ihr mal jemand ordentlich den Kopf wäscht. Du hast zwei Kinder, Niamh, und diesen Kindern gegenüber hast du eine Pflicht als Mutter, und das hat nichts mit Ian zu tun und damit, dass er dich wegen Kaveh verlassen hat …«
»Hör auf!«, fauchte Niamh. »Dieser Name wird in meinem Haus nicht ausgesprochen!«
»Welcher? Der des Vaters deiner Kinder oder des Mannes, dessentwegen er dich verlassen hat? Ian hat dich verletzt – akzeptiert. Das wissen wir alle. Du hattest ein Recht, dich verletzt zu fühlen, und glaub mir, auch das wissen wir alle. Aber Ian ist tot, und die Kinder brauchen dich, und wenn du das nicht begreifst, wenn du dermaßen egozentrisch bist, wenn du so verdammt bedürftig bist, wenn du dir jeden Tag aufs Neue beweisen musst, dass ein Mann – irgendein Mann – dich begehrt … Was zum Teufel ist los mit dir? Bist du Tim und Gracie jemals eine Mutter gewesen?«
»Manette«, murmelte Freddie. »Ich glaube, es reicht.«
»Wie kannst du es wagen …« Niamh war bleich vor Wut. »Ausgerechnet du! Du hast deinen Mann abgelegt für …«
»Es geht nicht um mich.«
»Ach nein? Du bist wohl perfekt, was, und über uns alle erhaben? Hast du überhaupt eine Ahnung, was ich durchgemacht habe? Was glaubst du wohl, wie es ist herauszufinden, dass der Mann, den du liebst, es seit Jahren mit
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