Glaube der Lüge: Ein Inspector-Lynley-Roman (German Edition)
wird sich ja zeigen, ob er noch mal einen Pächter findet, der bereit ist, in der Hütte da zu wohnen und auch noch ein Vermögen für den Spaß zu berappen. Dann werden wir ja sehen, wie er sich hier fühlt mit seinen Eltern und seiner Frau.«
Manette fragte sich, ob das Cottage groß genug war für einen Mann samt Frau und Eltern, aber sie sagte nichts dazu, sondern fragte nur: »Ist Tim hier, Mr. Cowley? Wir suchen nach ihm.«
»Keine Ahnung«, erwiderte George Cowley. »Jedenfalls stimmt mit dem Jungen irgendwas nicht. Und die Kleine ist auch ziemlich merkwürdig. Springt den ganzen Tag auf ihrem Trampolin rum. Ich bin heilfroh, wenn ich hier weg bin. Wenn Sie diesen Arschficker sehen, sagen Sie ihm das. Und sagen Sie ihm, ich glaube kein Wort von dem Blödsinn, den er verzapft, egal, wie viele Trümpfe er im Ärmel hat.«
»Selbstverständlich«, sagte Freddie. Er nahm Manettes Arm und bugsierte sie in Richtung Haustür. »Dem geht man am besten aus dem Weg, hm?«, murmelte er.
Manette nickte. Der Mann war offenbar nicht ganz richtig im Kopf. Wovon hatte der überhaupt geredet?
Im Herrenhaus schien niemand zu sein, aber Manette wusste, wo ein Hausschlüssel lag: unter einem von Flechten bedeckten Betonpilz am Fuß einer alten herbstlich kahlen Glyzinie, deren Stamm schon fast bis unters Dach reichte. Sie holten den Schlüssel und gingen ins Haus. Durch einen Flur gelangten sie in die blitzsaubere Küche. Die alten Holzschränke waren auf Hochglanz poliert. Überhaupt war alles noch ordentlicher als vor Ians Tod. Offenbar hatte Kaveh – oder jemand anders – einen gründlichen Hausputz gemacht.
Das beunruhigte Manette. In ihrer Vorstellung verursachte tiefe Trauer eher Lethargie anstatt einen Energieschub.
»Jedenfalls kann man nicht behaupten, dass er das Haus verfallen lässt«, sagte Freddie, während er sich umsah.
Manette rief: »Tim? Bist du hier?«
Eigentlich war es überflüssig, Tim zu rufen, denn selbst wenn er hier wäre, würde er sicher nicht angelaufen kommen und ihnen freudestrahlend um den Hals fallen, dachte Manette. Trotzdem suchten sie das Haus systematisch ab. Und jedes Zimmer, in das sie hineinschauten, war tipptopp sauber und aufgeräumt. Es sah ziemlich genauso aus wie zu Ians Lebzeiten, nur viel besser in Schuss, wie hergerichtet für Fotos in einem Artikel über Herrenhäuser im georgianischen Stil.
Sie gingen nach oben. So ein altes Haus verfügte über zahlreiche Ecken und Winkel, die sich als Verstecke eigneten. Freddie meinte, Tim sei wahrscheinlich längst über alle Berge, und das könne ihm keiner verdenken nach allem, was er durchgemacht hatte. Doch Manette wollte auf Nummer sicher gehen. Sie schaute unter den Betten und in den Schränken nach, tastete sogar einige Wände ab, um festzustellen, ob es irgendwo eine Geheimtür gab. Sie kam sich selbst albern dabei vor, aber sie konnte nicht anders. Irgendetwas stimmte in diesem Haus ganz und gar nicht, und sie wollte unbedingt herausfinden, was hier vor sich ging. Denn wenn sie das richtig sah, dann war Tim wegen irgendetwas abgehauen, das Kaveh getan oder gesagt hatte, auch wenn der hinterher den Besorgten gespielt und vorgegeben hatte, er würde den Jungen suchen.
Als Letztes nahmen sie sich Tims Zimmer vor. Auch hier war alles tipptopp aufgeräumt. Obwohl Tims Kleider noch im Schrank lagen, deutete nichts darauf hin, dass es sich um das Zimmer eines Vierzehnjährigen handelte.
»Ah«, sagte Freddie und trat an den Tisch unterm Fenster, auf dem ein Laptop stand, der aufgeklappt war, als wäre er vor Kurzem erst benutzt worden. »Vielleicht hilft uns der ja weiter.« Er setzte sich und ließ seine Fingergelenke knacken. »Wollen wir doch mal sehen.«
Manette trat neben ihn. »Aber wir kennen sein Passwort nicht. Wie sollen wir denn ohne Passwort da reinkommen?«
Freddie lächelte sie an. »Du Kleingläubige«, sagte er. Er begann, auf die Tastatur einzuhacken, um das Problem in Angriff zu nehmen, das sich als nicht existent entpuppte: Tim hatte sein Passwort gespeichert. Sie brauchten nur seinen Nutzernamen, den Manette kannte, weil sie regelmäßig mit Tim in E-Mail-Kontakt gestanden hatte. »Bingo«, murmelte Freddie.
Er grinste. »Wirklich schade, dass du nicht gerade mit was anderem beschäftigt warst«, sagte er. »Sonst hättest du mich am Ende vielleicht tatsächlich für ein Computergenie gehalten …«
Sie drückte seine Schulter. »Für mich bist du Genie genug, mein Lieber.«
Während Freddie sich Tims
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