Glaube der Lüge: Ein Inspector-Lynley-Roman (German Edition)
Fairclough. »Ich hoffe, wir können gut zusammenarbeiten.« Sein Akzent deutete darauf hin, dass er aus dem Norden stammte, und seine Art zu sprechen überraschte Lynley. Sie ließ vermuten, dass er über seine Teenagerzeit hinaus keine weitere Schulausbildung genossen hatte. Lynley schaute kurz zu Hillier hinüber. Es passte zu seinem Chef, mit jemandem zu verkehren, der einen Titel besaß. Andererseits passte es überhaupt nicht zu ihm, mit jemandem zu verkehren, der diesen Titel nicht geerbt, sondern über die Honours List verliehen bekommen hatte.
»Lord Fairclough und ich wurden am selben Tag geadelt«, sagte Hillier, als müsste er klarstellen, warum er mit dem Mann zu tun hatte. »Fairclough Industries«, fügte er noch hinzu, als könne die Nennung der Quelle von Faircloughs Reichtum – so er denn über welchen verfügte – alles erklären.
»Ah«, sagte Lynley.
Fairclough lächelte. »Der Fairloo«, sagte er zur Erklärung.
Jetzt begriff Lynley. Bernard Fairclough hatte sich ursprünglich einen Namen gemacht mit der Erfindung einer außergewöhnlichen Toilette, die von Fairclough Industries produziert und vertrieben wurde. Aber seinen Platz am Himmel derer, die von der dankbaren Nation mit Titeln bedacht wurden, hatte er sich mit der Einrichtung einer gemeinnützigen Stiftung verdient, die sich die Erforschung von Bauchspeicheldrüsenkrebs zum Ziel gesetzt hatte. Trotzdem wurde der Name Fairclough nach wie vor mit der Toilette assoziiert, was für große Heiterkeit gesorgt hatte, als die Boulevardpresse über Faircloughs Adelung und Ernennung zum Baron berichtet hatte.
Mit einer Geste bot Hillier Lynley einen Stuhl an. Ohne zu fragen, schenkte er ihm eine Tasse Kaffee ein und schob sie samt Milchkännchen und Zuckerdose über den Tisch, während Lynley und Fairclough sich setzten.
»Bernard hat uns um einen Gefallen gebeten«, sagte Hillier. »Die Sache ist streng vertraulich.«
Daher also das Treffen im Twins Club, dachte Lynley. Und das erklärte auch, warum man ihn zu einer Tageszeit in den Club bestellt hatte, zu der die einzigen anwesenden Clubmitglieder entweder in der Bibliothek über ihren Zeitungen eingeschlafen waren oder im Fitnessraum im Kellergeschoss Squash spielten. Lynley nickte, sagte jedoch nichts. Er schaute Fairclough an, der ein weißes Taschentuch aus der Tasche zog und sich damit die Stirn betupfte, die von einem zarten Schweißfilm bedeckt war. Es war nicht besonders warm im Raum.
Er sagte: »Mein Neffe – Ian Cresswell, der Sohn meiner verstorbenen Schwester – ist vor zehn Tagen ertrunken. Am Südende des Lake Windermere, kurz nach sieben Uhr abends. Seine Leiche wurde erst am nächsten Morgen gefunden. Meine Frau hat sie entdeckt.«
»Das tut mir leid«, sagte Lynley. Es war natürlich eine automatische Reaktion auf eine solche Nachricht, und Fairclough schien sie zu überhören.
»Valerie angelt gern«, fuhr er fort, eine Bemerkung, die überflüssig erschien, bis er hinzufügte: »Mehrmals in der Woche fährt sie mit einem kleinen Ruderboot raus. Seltsames Hobby für eine Frau, aber nun ja. Das macht sie schon seit Jahren. Das Boot liegt zusammen mit mehreren anderen Booten in einem Bootshaus auf unserem Anwesen, und dort hat sie Ians Leiche gefunden. Er lag mit dem Gesicht nach unten im Wasser und hatte eine klaffende Wunde am Hinterkopf, die natürlich nicht mehr blutete.«
»Was ist Ihrer Meinung nach passiert?«
»Er ist ausgerutscht, als er aus seinem Skullboot gestiegen ist. So hielt er sich fit. Also mit Rudern, meine ich. Er ist ausgerutscht, mit dem Kopf auf dem Anleger aufgeschlagen – der ist gemauert – und ins Wasser gefallen.«
»Konnte er nicht schwimmen, oder war er bewusstlos?«
»Letzteres. Laut Autopsiebericht.«
»Aber Sie sehen das anders?«
Fairclough drehte sich um. Er schien ein Gemälde über dem offenen Kamin zu betrachten – eine Zirkusszene, die an Hogarths Zyklus »Werdegang eines Wüstlings« erinnerte und Figuren aus einer Monstrositätenschau zeigte. Was für die Theorie mit den siamesischen Zwillingen sprechen würde. Die wären natürlich im Zirkus aufgetreten. Fairclough betrachtete die Szene nachdenklich, dann sagte er schließlich: »Er ist gestürzt, weil zwei Steine in dem Anleger locker waren.«
»Verstehe.«
Hillier mischte sich ein. »Bernard hält es für möglich, dass die Steine sich nicht von allein gelockert haben, Tommy. Das Bootshaus steht schon seit über hundert Jahren da, und es hält noch weitere
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