Glaube der Lüge: Ein Inspector-Lynley-Roman (German Edition)
Cumbria hatte er nichts weiter zu bieten als zusätzliche Ausschmückungen seines Rührstücks über Nicholas Fairclough – über seine Vergangenheit im Drogensumpf, seine wundersame Rettung und seine Zukunft als Heiliger. Abgesehen davon enthielt die Story überhaupt nichts, was den typischen Source -Leser interessierte. Nichts und wieder nichts.
Benjamin hatte ihm zerknirscht erklärt, es gebe einfach nichts, was er seinem Text noch hinzufügen könne, und Rodney wusste, dass er diesen Hornochsen hätte auf der Stelle rauswerfen sollen. Hochkant. Er wusste selbst nicht, warum er es nicht getan hatte, und anfangs hatte er schon befürchtet, er würde allmählich weichherzig. Doch dann hatte einer seiner Spione angerufen und ihm einen wahrhaft pikanten Tipp gegeben, und jetzt dachte Rodney, dass er Benjamin vielleicht gar nicht zu feuern brauchte.
Was der Spion ihm erzählt hatte, war eine Offenbarung gewesen, und da Rodney Aronson Offenbarungen beinahe genauso liebte wie alles, was Kakao enthielt, zitierte er den rothaarigen Hünen in sein Zimmer und genehmigte sich einen Kitkat-Riegel, den er mit einem Espresso aus seiner persönlichen Maschine hinunterspülte. Die Espressomaschine war ein Geschenk von Butterball Betsy, einer verheirateten Fau, die sehr fantasievoll war, wenn es darum ging, ihm eine Freude zu bereiten. Dass die meisten Freuden kulinarischer Natur waren, tat nichts zur Sache.
Rodney hatte den Kitkat-Riegel aufgegessen und war gerade dabei, sich eine zweite Tasse Espresso zu machen, als er hörte, wie Zed ins Zimmer getrampelt kam. Nicht zu fassen, dass der Mann immer noch mit dieser Mütze rumlief, dachte Rodney und seufzte. Wahrscheinlich hatte dieser Trottel schon das zweite Mal mit seinem Kepi auf dem Kopf ganz Cumbria unsicher gemacht und jeden potentiellen Informanten abgeschreckt, dachte Rodney. Er schüttelte resigniert den Kopf. Mit welchem Blödsinn er sich als Chefredakteur der Source herumschlagen musste, das ging einfach auf keine Kuhhaut. Rodney beschloss, kein Wort mehr über die Kopfbedeckung zu verlieren. Er hatte Zed Benjamin einmal auf das Problem aufmerksam gemacht, und wenn der Typ nicht auf ihn hören wollte, dann sollte er doch mit seinen spinnerten Marotten untergehen. Entweder er lernte aus seinen Fehlern oder nicht, und Rodney konnte sich sowieso schon denken, was wahrscheinlicher war. Ende der Geschichte.
»Machen Sie die Tür zu«, sagte er zu Benjamin. »Setzen Sie sich. Einen Moment noch.« Er bewunderte den Schaum auf seinem Espresso und schaltete die Maschine aus. Dann ging er mit der Tasse an seinen Schreibtisch und setzte sich. »Der Tod ist sexy«, sagte er. »Ich hatte angenommen, dass Sie da selbst drauf kommen würden, aber anscheinend war das zu viel verlangt. So leid es mit tut, Zedekiah, aber offenbar sind Sie für diesen Job nicht geeignet.«
Zed schaute ihn an. Er betrachtete die Wand. Er blickte zu Boden. Schließlich sagte er: »Der Tod ist sexy.« Er sagte es so langsam, dass Rodney sich fragte, ob sein Verstand sich in einem ähnlichen Zustand befand wie seine Fußbekleidung, denn der Mann trug nicht etwa anständige Schuhe, sondern seltsame Sandalen mit Sohlen aus alten Autoreifen und dazu gestreifte, offenbar aus bunten Wollresten handgestrickte Socken.
»Ich habe Ihnen gesagt, die Story ist nicht sexy genug. Sie sind ein zweites Mal nach Cumbria gefahren, um dafür zu sorgen, dass sie sexy wird. Dass Ihnen das nicht gelungen ist, kann ich mehr oder weniger verstehen. Aber ich kann nicht verstehen, wie Sie das Ereignis verpennen konnten, das Ihre Story hätte retten können. Sie hätten wie ein geölter Blitz zurückkommen und rufen müssen Heureka! oder Jupiduh! oder Jesus, Maria und Josef, ich bin gerettet! Na ja, Letzteres wohl eher nicht, aber die Sache ist die: Man hat Ihnen die Rettung Ihrer Geschichte auf einem silbernen Tablett serviert – und damit auch gleich die Rechtfertigung für die horrenden Spesen, die Sie gemacht haben –, und Sie kriegen noch nicht mal mit, wenn etwas passiert. Dass ich das alles selbst rausfinden musste, gibt mir schwer zu denken, Zed.«
»Sie wollte immer noch nicht mit mir reden, Rodney. Ich meine, sie hat geredet, aber sie hat mir nichts gesagt . Sie findet, sie ist nicht wichtig. Sie ist seine Frau. Sie haben sich kennengelernt, haben sich verliebt, haben geheiratet, sind nach England gekommen, und mehr gibt’s zu ihr nicht zu sagen. Mehr war einfach nicht …«
»Ich weiß, dass Sie nicht blöd
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