Glaube der Lüge: Ein Inspector-Lynley-Roman (German Edition)
gertenschlanke, stets todschick gekleidete Abteilungssekretärin in der Tür erschien, die er offen gelassen hatte. »Detective Inspector Lynley?« Als er sich umdrehte, fuhr sie fort: »Da war gerade ein Anruf. Ich fürchte, Sie werden gewünscht.«
»Von wem?« Er vermutete, dass er aus irgendeinem Grund noch einmal zum Gericht musste.
»Von seiner Hoheit.«
»Ah.« Also nicht das Gericht. Seine Hoheit war Sir David Hillier. Wenn Hillier rief, kam man seinem Wunsch sofort nach. »Jetzt gleich?«, fragte er.
»Sieht so aus. Aber er ist nicht hier. Sie sollen zu ihm in den Club kommen.«
»Um die Zeit? Was macht er denn jetzt in seinem Club?«
Harriman zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Aber Sie sollen so schnell wie möglich hinfahren. Wenn der Verkehr es zulässt, möchte er Sie in einer Viertelstunde sehen, das hat seine Sekretärin betont.«
»Tja, da kann man wohl nichts machen.« Er wandte sich an Isabelle. »Wenn Sie mich entschuldigen wollen, Chefin?« Sie nickte knapp, und er machte sich auf den Weg, ohne dass zwischen ihnen etwas geklärt worden wäre.
Sir David Hilliers Club lag in der Nähe des Portland Place, und die Vorstellung, dass Lynley von New Scotland Yard aus in einer Viertelstunde dorthin gelangen konnte, war geradezu lächerlich. Aber da es sich um etwas Dringendes zu handeln schien, nahm er sich ein Taxi und sagte dem Fahrer, er solle Vollgas geben und um Himmels willen den Piccadilly Circus vermeiden, der um diese Zeit regelmäßig verstopft war. Auf diese Weise schaffte er es in zweiundzwanzig Minuten zum Twins Club, was für diese Uhrzeit ein Rekord sein musste.
Der Twins Club war in drei Stadtvillen untergebracht, einer der wenigen Komplexe in der Gegend, die im neunzehnten Jahrhundert nicht irgendeinem wahnwitzigen Stadtumbauprojekt zum Opfer gefallen waren. Nur eine diskrete Bronzetafel und eine blaue Flagge mit dem Konterfei der namengebenden Gründer wies auf den Club hin. Nach dem Bild zu urteilen musste es sich bei den Brüdern um siamesische Zwillinge gehandelt haben. Soweit Lynley wusste, hatte niemand die Geschichte des Clubs so weit erforscht, dass bekannt wäre, ob es sich dabei um Wahrheit oder Legende handelte.
Er wurde nicht von einem Portier eingelassen, sondern von einer älteren, ganz in Schwarz gekleideten Dame mit einem frischgestärkten weißen Schürzchen vor der Brust. Sie wirkte wie eine Gestalt aus einem anderen Jahrhundert, und sie bewegte sich auch so. In einer Eingangshalle mit schachbrettartigem Marmorboden, an deren Wänden viktorianische Gemälde von zweifelhafter Qualität hingen, trug Lynley sein Anliegen vor, woraufhin die Frau nickte und sich merkwürdig steif umdrehte. Lynley folgte ihr zu einer Tür rechts von einer eindrucksvollen Treppe, die an einem Zwischengeschoss vorbei in den ersten Stock führte.
Die Frau klopfte an eine Tür, ließ Lynley in einen mit dunklem Holz getäfelten Speisesaal eintreten und schloss die Tür hinter ihm. Zu dieser Stunde waren keine Essensgäste anwesend, aber an einem der mit weißem Damast gedeckten Tische saßen zwei Männer. Vor ihnen standen eine Kaffeekanne aus Porzellan und drei dazu passende Tassen.
Einer der beiden Herren war der Assistant Commissioner, und der andere war ein Mann mit Brille, der für die Tageszeit und für den Ort zu elegant gekleidet war, was eigentlich auch für Hillier galt. Die beiden wirkten etwa gleichaltrig, doch im Gegensatz zu Hillier hatte der andere Mann einen Glatzenansatz, den er noch dadurch betonte, dass er das verbliebene Haar mit Pomade nach hinten gekämmt trug. Sein Haar war völlig gleichmäßig in der Farbe – mausbraun traf es am ehesten –, also offenbar gefärbt. Auf seiner Nase saß eine altmodische Brille mit einem klobigen schwarzen Gestell. Zu allem Überfluss hatte er eine auffallend dicke Oberlippe, die überhaupt nicht zu seiner Unterlippe passte, so dass er aussah wie seine eigene Karikatur. Von irgendwoher kannte Lynley den Mann, auch wenn ihm jetzt sein Name nicht einfiel.
Hillier half ihm auf die Sprünge. »Bernard Fairclough«, sagte er. »Baron von Ireleth. Bernard, das ist DI Lynley.«
Fairclough nickte. Er war viel kleiner als Lynley und Hillier, vielleicht eins fünfundsechzig, und er trug einen ordentlichen Bauch vor sich her. Sein Händedruck war fest, und während des nun folgenden Gesprächs legte alles, was er tat oder sagte, den Schluss nahe, dass er willensstark und selbstbewusst war.
»David hat mir von Ihnen erzählt«, sagte
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