Glaube der Lüge: Ein Inspector-Lynley-Roman (German Edition)
hundert. Und der Anleger ebenfalls.«
»Aber wenn der Gerichtsmediziner zu dem Schluss gekommen ist, dass es ein Unfall …«
»Ich zweifle ja nicht direkt an seinem Urteil«, sagte Fairclough hastig. »Aber …« Er schaute Hillier an, als hoffte er, der würde den Satz für ihn beenden.
Was Hillier tat. »Bernard will sich einfach vergewissern, dass es wirklich ein Unfall war, das würde jedem so gehen. Es gibt familiäre Anliegen.«
»Familiäre Anliegen welcher Art?«
Die beiden Männer schwiegen. Lynley schaute erst Hillier, dann Fairclough an. »Ich kann Ihnen keine Gewissheit in einer Sache verschaffen, über die ich im Dunkeln gelassen werde, Lord Fairclough.«
»Bitte, nennen Sie mich Bernard«, sagte Fairclough, obwohl Hilliers warnender Blick an seine Adresse andeutete, dass derlei Vertraulichkeiten nur das Übliche zur Folge haben würden. »In der Familie nennen mich alle Bernie, aber Bernard ist in Ordnung.« Fairclough nahm seine Kaffeetasse. Hillier hatte ihm gerade nachgeschenkt, aber es schien, als brauchte Fairclough die Tasse eher zur Beschäftigung seiner Hände als zum Trinken. Er drehte sie hin und her, betrachtete sie eingehend und sagte dann: »Ich möchte Gewissheit darüber haben, dass mein Sohn Nicholas nichts mit dem Tod meines Neffen zu tun hat.«
Lynley ließ die Information erst einmal sacken und fragte sich, was sie über den Vater, den Sohn und den Neffen aussagte. Er fragte: »Haben Sie Grund zu der Annahme, Ihr Sohn könnte etwas damit zu tun haben?«
»Nein.«
»Also?«
Wieder der hilfesuchende Blick zu Hillier, der sofort reagierte: »Nicholas hatte eine … na ja, sagen wir, eine schwierige Kindheit und Jugend. Er scheint das alles überwunden zu haben, aber Bernard fürchtet dennoch, der Junge …«
»Er ist inzwischen erwachsen«, fiel Fairclough ihm ins Wort. »Er ist zweiunddreißig. Verheiratet. Wenn ich ihn sehe, habe ich den Eindruck, dass sich alles geändert hat. Er scheint sich geändert zu haben. Trotzdem: Er hat Drogen genommen, alle möglichen Drogen, vor allem Methamphetamine, und zwar jahrelang, seit er ungefähr dreizehn war. Er kann von Glück reden, dass er überhaupt noch lebt, und er schwört, dass ihm das klar ist. Aber das hat er jedes Mal gesagt.«
Während Lynley sich das alles anhörte, dämmerte ihm allmählich, warum man ausgerechnet ihn um Hilfe bat. Er hatte mit Hillier nie über seinen Bruder gesprochen, doch Hillier hatte Spione in jeder Abteilung der Metropolitan Police, und warum sollte sich unter all den Informationen, die er sammelte, nicht ein Bericht über Peter Lynleys Kampf gegen die Drogensucht befunden haben?
»Dann hat er eine Argentinierin kennengelernt«, fuhr Bernard fort. »Eine echte Schönheit. Er hat sich unsterblich in sie verliebt, aber sie wollte nichts mit ihm zu tun haben, solange er an den Drogen hing. Also hat er eine Entziehungskur gemacht. Zumindest sieht es so aus.«
Für Lynley erhöhte das die Wahrscheinlichkeit, dass Nicholas nichts mit dem Tod seines Vetters zu tun hatte, aber er wartete auf mehr Informationen, die Fairclough nur häppchenweise preisgab. Offenbar war der Tote bei den Faircloughs aufgewachsen. Er hatte die Rolle des großen Bruders innegehabt und war mit so großen Schritten vorangegangen, dass der jüngere Nicholas keine Chance gehabt hatte, ihm zu folgen. Ian Cresswell hatte das Elite-Internat St. Bees in Cumbria besucht und danach die Universität. Nach Abschluss des Studiums war er nicht nur als Finanzchef bei Fairclough Industries eingestellt worden, sondern hatte auch die persönlichen Finanzgeschäfte von Bernard Fairclough verwaltet. Und dabei schien es um beträchtliche Summen gegangen zu sein.
»Bisher ist noch keine Entscheidung darüber gefällt worden, wer einmal die Leitung der Firma übernimmt, wenn ich nicht mehr da bin«, sagte Fairclough. »Aber Ian stand natürlich ganz oben auf der Liste.«
»Wusste Nicholas davon?«
»Jeder wusste das.«
»Heißt das, dass Nicholas von Ians Tod profitiert?«
»Wie gesagt, es war – und ist – noch keine Entscheidung getroffen worden.«
Wenn also jeder gewusst hatte, dass Ian die Firma übernehmen sollte, dann hatte auch so gut wie jeder – ein Mordmotiv, dachte Lynley. Falls es Mord gewesen war. Aber wenn der Gerichtsmediziner einen Unfall als Todesursache festgestellt hatte, dann hätte Fairclough eigentlich erleichtert sein müssen, was offenbar nicht der Fall war. Fairclough wollte also, dass sein Sohn am Tod seines
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