Glaube der Lüge: Ein Inspector-Lynley-Roman (German Edition)
einzigen Fragen, die vielleicht noch blieben, waren die, die nur Alatea selbst stellen konnte. Hatte die Frau, die da draußen mit dem Detective sprach, bereits Fotos von Alatea an Raul Montenegro geschickt? Und wenn nicht, wäre sie offen für Bestechung? Wenn ja, wäre Alatea gerettet. Natürlich nur vorerst. Aber mehr konnte sie auch nicht erwarten.
Sie rannte die Treppe hoch und lief ins Schlafzimmer. Dort zog sie eine Kassette unter dem Bett hervor, nahm den Schlüssel dazu aus ihrem Nachttisch. Die Kassette enthielt Geld. Es war nicht viel, kein Vermögen, nicht die Summe, die Raul hingeblättert hatte, um sie zu finden. Doch zusammen mit ihrem Schmuck würde es vielleicht reichen, um die Frau in Versuchung zu führen.
Sie war bereits wieder unten, als es wie erwartet an der Tür klopfte. Die Frau konnte nicht wissen, dass Alatea sie mit dem Detective hatte reden sehen. Das verschaffte Alatea zunächst einen Vorteil, und sie war entschlossen, ihn zu nutzen.
Sie schloss die Augen, flüsterte Dios mío por favor , atmete tief durch und öffnete die Tür.
Die rothaarige Frau sagte: »Mrs. Fairclough, ich bin Ihnen gegenüber nicht ehrlich gewesen. Darf ich reinkommen, um es Ihnen zu erklären?«
»Was wollen Sie von mir?«, erwiderte Alatea steif und förmlich.
»Ich habe Sie verfolgt und beobachtet«, sagte Deborah St. James. »Sie sollen wissen, dass …«
»Wie viel zahlt er Ihnen?«, fragte Alatea.
»Es geht nicht um Geld.«
»Es geht immer um Geld. Ich kann Ihnen nicht so viel zahlen, wie er Ihnen bietet, aber ich bitte Sie … Ich flehe Sie an …« Alatea nahm die Kassette, die sie zusammen mit ihrem Schmuck auf der Bank abgestellt hatte, und reichte Deborah beides. »Nehmen Sie das hier.«
Deborah wich einen Schritt zurück. »Ich will das nicht. Ich bin nur gekommen, um …«
»Sie müssen es nehmen. Und dann gehen Sie bitte. Sie kennen ihn nicht. Sie ahnen nicht, zu was Männer wie er fähig sind.«
Deborah musterte Alatea mit zusammengezogenen Brauen. Sie schien zu überlegen. Alatea versuchte noch einmal, ihr die Kassette und den Schmuck zu geben. »Ich verstehe«, sagte Deborah. »Ich fürchte nur, es ist bereits zu spät, Mrs. Fairclough. Manche Leute lassen sich nicht mehr aufhalten, und ich glaube, dieser Mann gehört dazu. Er hat so etwas Verzweifeltes an sich … Er hat es nicht direkt gesagt, aber ich glaube, dass für ihn eine Menge auf dem Spiel steht.«
»Das macht er Ihnen nur vor. So ist er nun mal. Es war schlau von ihm, eine Frau zu schicken. Wahrscheinlich denkt er, auf diese Weise könnte er mich in Sicherheit wiegen. Obwohl er nur eins im Sinn hat, nämlich mich zu zerstören. Er hat die Macht dazu, und er wird es tun.«
»Aber es gibt keine Geschichte. Jedenfalls keine, die ein Sensationsblatt wie die Source drucken würde.«
»Und das soll mich beruhigen?«, fragte Alatea. »Was hat ein Artikel in der Source überhaupt damit zu tun? Was hat das mit dem zu tun, womit er Sie beauftragt hat? Sie haben mich fotografiert, nicht wahr? Sie sind mir gefolgt und haben Fotos von mir gemacht, und mehr Beweise braucht er nicht.«
»Ich verstehe nicht, was Sie meinen«, sagte Deborah. »Er braucht doch keine Beweise. Das brauchen diese Typen doch nie. Beweise bedeuten denen gar nichts. Die arbeiten hart an der Grenze der Legalität, und wenn sie die Grenze mal überschreiten, haben sie eine ganze Armee von Anwälten auf ihrer Seite, die sich um das Problem kümmern.«
»Dann verkaufen Sie mir Ihre Fotos«, sagte Alatea. »Wenn er mich auf den Fotos sieht …« Sie zog ihren Ring mit dem großen Diamanten vom Finger. Sie nahm die Ohrringe mit den Smaragden ab, die Valerie ihr zur Hochzeit geschenkt hatte. »Hier, nehmen Sie das. Und geben Sie mir dafür die Fotos.«
»Die Fotos sind wertlos. Ohne Text bedeuten sie überhaupt nichts. Und überhaupt, ich will Ihren Schmuck nicht und auch nicht Ihr Geld. Ich möchte Sie nur um Verzeihung bitten für … na ja, eigentlich für alles, aber vor allem dafür, dass ich Ihnen womöglich alles verdorben habe. Wir sind uns sehr ähnlich, Sie und ich.«
Alatea schöpfte Hoffnung. Dass die Frau sie um Verzeihung bat, bedeutete vielleicht, dass noch nicht alles verloren war. »Sie werden ihm also nichts sagen?«
Die Frau sah sie traurig an. »Ich fürchte, er weiß schon Bescheid. Das ist es ja gerade. Deswegen bin ich hergekommen. Ich möchte, dass Sie vorbereitet sind auf das, was auf Sie zukommt. Sie sollen wissen, dass es alles meine
Weitere Kostenlose Bücher