Glaube der Lüge: Ein Inspector-Lynley-Roman (German Edition)
Leben hatte, von ihm zu erzählen, und jetzt ihm davon zu berichten. Er wusste nur zu gut, was für eine stolze Frau sie war.
»Du fehlst mir, Tommy. Ich möchte, dass zwischen uns wieder alles gut wird.«
»Es ist alles gut zwischen uns.«
»Wirklich?«
»Wirklich.«
Wieder Schweigen. Vielleicht war sie ja zu Hause, dachte er, saß auf der Bettkante in ihrem winzigen Schlafzimmer mit nur einem einzigen Fenster, das sich nicht öffnen ließ, und dem viel zu schmalen Bett, in dem sie unmöglich eine ganze Nacht lang gemeinsam schlafen konnten. Was vielleicht sogar Absicht war, überlegte er.
»Das Leben ist einfach kompliziert«, sagte er. »Aber das ist es immer, nicht wahr?«
»Ab einem gewissen Alter ja. Jeder schleppt so viel Gepäck mit sich rum.« Sie holte tief Luft. »Ich möchte dich heute Abend sehen, Tommy. Kommst du zu mir?« Dann fügte sie zu seinem großen Erstaunen hinzu: »Hast du Zeit?«
Er hätte ihr gern gesagt, dass es keine Frage der Zeit war. Dass es damit zu tun hatte, wie er sich fühlte. Aber auch das war kompliziert. Also sagte er: »Das weiß ich jetzt noch nicht.«
»Wegen dieser Sache, um die Hillier dich gebeten hat. Ich hoffe, dir ist aufgefallen, dass ich nicht darauf bestehe zu erfahren, was da los ist. Und das werde ich auch nicht tun. Das verspreche ich dir. Auch hinterher nicht, und du weißt ja, was das bedeutet, denn ich kenne dich und weiß, wie du hinterher bist. Manchmal denke ich, hinterher könnte ich alles aus dir rauskriegen.«
»Und warum tust du es nicht?«
»Na ja, das wäre irgendwie unfair, meinst du nicht? Außerdem bilde ich mir ein, dass ich nicht so bin. Ich trickse nicht. Jedenfalls nicht viel.«
»Trickst du jetzt?«
»Nur, um dich rumzukriegen, aber wenn ich’s zugebe, ist es kein Tricksen mehr, oder?«
Er musste lächeln. Er spürte, wie ihm das Herz aufging, und das lag daran, dass er sie begehrte, obwohl ihre Affäre zu einem unmöglichen Zeitpunkt angefangen hatte, obwohl sie überhaupt nicht zusammenpassten und das auch nie tun würden. Er begehrte sie. Immer noch und trotz allem.
»Es kann aber ziemlich spät werden«, sagte er.
»Das ist egal. Kommst du heute Abend, Tommy?«
»Ja.«
CHELSEA – LONDON
Aber zuerst musste er ein paar Dinge regeln. Das hätte er telefonisch erledigen können, doch er zog es vor, persönlich mit seinen Freunden zu reden, um einschätzen zu können, ob es ihnen widerstrebte, ihm den Gefallen zu tun, um den er sie bitten wollte. Denn sagen würden sie es ihm nie.
Die Tatsache, dass es sich nicht um eine offizielle polizeiliche Ermittlung handelte, behinderte ihn beträchtlich. Er musste ziemlich viel tricksen, um die Sache geheim zu halten.
Natürlich hätte er darauf bestehen können, dass Hillier ihm einen Kollegen zur Seite stellte, aber die einzigen Kollegen, mit denen er bereit war zusammenzuarbeiten, waren für eine heimliche Schnüffeltour in Cumbria kaum zu gebrauchen. Mit seinen eins neunzig und einer Hautfarbe wie extrem starker Tee würde DS Winston Nkata im Lake District auffallen wie ein bunter Hund. Und DS Barbara Havers, die trotz ihrer nervtötenden Angewohnheiten unter normalen Umständen seine erste Wahl wäre … Die Vorstellung, Barbara würde streitlustig und kettenrauchend durch Cumbria trampeln und sich als Naturliebhaberin auf Wanderurlaub ausgeben, war einfach lachhaft. Sie war eine hervorragende Polizistin, aber Fingerspitzengefühl war nicht gerade ihre Stärke. Wäre Helen noch am Leben, wäre sie genau die Richtige für diese Aufgabe gewesen. Und es hätte ihr großen Spaß gemacht. Tommy, Liebling, wir werden inkognito reisen! Wie aufregend! Von so etwas hab ich schon als Kind geträumt! Doch Helen war nicht mehr am Leben. Der Gedanke an Helen ließ ihn fluchtartig das Haus verlassen.
Er fuhr über die King’s Road nach Chelsea. Es war die direkte Strecke zur Cheyne Row, wenn auch nicht die schnellste, da die enge Straße durch das beliebte Einkaufsviertel führte, wo sich Boutiquen, Schuhgeschäfte, Antiquitätenläden, Pubs und Restaurants aneinanderreihten. Wie immer wimmelte es von Menschen, und ihr Anblick, vor allem ihre Jugend, machte ihn wehmütig, obwohl er gar nicht so recht wusste, warum. Und er hatte auch keine Lust, darüber nachzudenken.
Er parkte in der Lawrence Street in der Nähe des Lordship Place. Dann ging er den Weg zurück, den er gekommen war, aber nicht ganz bis zur Cheyne Row, sondern zum Garteneingang des großen Backsteinhauses, das an der
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