Glaube der Lüge: Ein Inspector-Lynley-Roman (German Edition)
wirklich das Letzte, was ich möchte.«
»Ich nehme die Vitaminpräparate«, sagte sie. »Und all die anderen Pillen. Ich messe meine Temperatur. Ich achte auf meine Ernährung. Ich tue alles, was hilft …« Sie brach ab, denn sie hatte angefangen zu weinen. Sie wischte sich mit dem Unterarm die Tränen aus dem Gesicht.
»Allie …« Er fasste sie an den Schultern und drehte sie zu sich um.
Sie umarmten einander und blieben ein paar Minuten so stehen. Schließlich sagte er: »Allein, dich so in den Armen zu halten, erfüllt mich mit Ehrfurcht. Weißt du überhaupt, was für ein Glück ich habe? Ich weiß es, Allie.«
Sie nickte und löste sich von ihm. Er nahm ihr Gesicht mit beiden Händen und betrachtete es auf diese für ihn typische Weise. Und wie bei anderen Gelegenheiten hatte sie auch jetzt das Gefühl, dass alles, was sie ihm verschwiegen hatte, offen vor ihm lag und er in ihrem Gesicht lesen konnte wie in einem Buch. Aber er fragte nur: »Verzeihst du mir?«
»Natürlich. Und ich tue, worum du mich gebeten hast. Aber noch nicht. Bitte, Nicky. Lass uns noch ein paar Monate warten.«
Er nickte. Dann sagte er grinsend: »Bis dahin lassen wir die kleinen Schwimmer ein bisschen trainieren, okay? Sorgen wir dafür, dass sie ihren Orientierungssinn ein bisschen schulen.«
Sie lächelte. »Abgemacht.«
»Gut. Und jetzt verrat mir doch mal, warum du so einen Berg Zwiebeln hackst, denn meine Augen brennen wie der Teufel. Was kochst du?«
Sie betrachtete die Zwiebeln. »Keine Ahnung.«
Er lachte. »Du bist verrückt.« Er nahm sich die Post des Tages vor, die säuberlich gestapelt neben dem Küchentelefon auf der Anrichte lag.
Sie hatten sich vertragen und waren wieder vollkommen entspannt. Sie plauderten über dies und das, bis Nicholas den Zettel mit der Nachricht fand, die Alatea notiert und dann total vergessen hatte, vor lauter Bestreben, das Gespräch über Kinder, Ärzte in Lancaster und Nicholas’ Erwartungen hinter sich zu bringen.
»Was ist das hier?«, fragte Nicholas und hielt den Zettel hoch, den sie am Morgen aus ihrem Notizheft gerissen hatte.
»Ach. Da hat jemand für dich angerufen. Eine Frau. Es geht um einen Fernsehfilm, über den sie gern mit dir reden würde. Sie ist … Ich glaube, sie hat gesagt, sie ist für die Recherche zuständig.«
Er runzelte die Stirn. »Was denn für ein Film?«
»Alternative Behandlungsmethoden bei Drogenabhängigkeit. Ein Dokumentarfilm, sagt sie. Sie machen Interviews mit Süchtigen und Ärzten und Sozialarbeitern. Ein Kamerateam und jemand – ein Prominenter oder ein Moderator, was weiß ich –, der die Fragen stellt. Ich hab ihr gesagt, dass du wahrscheinlich nicht daran interessiert bist, aber …«
»Wieso?«
»Wieso was?«
»Wieso hast du ihr das gesagt?«
Sie nahm eins ihrer Kochbücher aus dem Regal über der Arbeitsfläche, das Nicholas für sie gebaut hatte, und blätterte darin herum auf der Suche nach einer Idee, was sie mit all den gehackten Zwiebeln machen sollte. »Solche Dinge befriedigen nur das Ego, Nicky«, sagte sie. »Darüber haben wir uns doch ausführlich unterhalten. Das führt zu nichts Gutem, und es rüttelt viel zu viel auf.«
»Ja, ja. Aber es geht nicht um mich, Allie.« Er hielt den Zettel immer noch in der Hand. »Wo kommt die Frau her? Und wo kommen die Leute her, die den Film machen?«
»Das hab ich nicht gefragt. Ich hatte nicht angenommen …« Sie betrachtete den Deckel des Kochbuchs und überlegte, wie sie ihm erklären sollte, was sie meinte. »Nicky«, sagte sie, »mit solchen Dingen musst du vorsichtig sein. Du sagst doch selbst immer, dass du lieber im Hintergrund agierst, hinter den Kulissen. Das ist das Beste.«
»Geld aufzutreiben für das Projekt ist das Beste«, entgegnete er. »Das könnte genau das sein, was wir brauchen, um das Projekt zu verwirklichen.«
»Und wenn nicht?«
»Wie meinst du das?«
»Na ja … dieser Zeitungsmensch, der so oft hier war … Was ist dabei rausgekommen? Nichts. All die Stunden, die du mit ihm verbracht hast, die langen Gespräche, die Führungen. Du hast ihn sogar am Turm mitarbeiten lassen. Und was ist passiert? Nichts. Er verspricht, einen ausführlichen Artikel über dein Projekt zu schreiben. Und? Wieder nichts. Ich möchte nicht schon wieder die Enttäuschung in deinem Gesicht sehen«, sagte sie. Weil man nie wusste, wo das hinführen konnte, würde er jetzt bestimmt denken, aber daran ließ sich nichts ändern.
Sein Gesichtsausdruck änderte sich, aber er
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