Glauben Sie noch an die Liebe
sie ein sehr gutes Verhältnis zur Eisernen Lady. Das wirkte sich wohl auch politisch aus. Margaret Thatcher hatte ja ein – gelinde gesagt – distanziertes Verhältnis zu Deutschland, und manche Historiker meinen, dass sich dies dann wiederum via Nancy partiell auf Reagan ausgewirkt hat. Andererseits: Auf Reagan folgte Bush senior, und dessen Frau Barbara pflegte ein sehr gutes Verhältnis zu Hannelore Kohl. Die beiden Frauen mochten sich extrem. Das war im Wendejahr 1989/90 förderlich für die Unterstützung der bundesdeutschen Position durch die USA . Noch im Herbst 1989 stand Kohl völlig alleine da. Die Eiserne Lady war scharf gegen seinen Zehn-Punkte-Plan, den er im Bundestag vorgetragen hatte. Mitterrand tat nach außen so, als würde er das alles unterstützen, aber hinter den Kulissen, so weiß man heute aus den Akten, hat er kräftig dagegen opponiert. Gorbatschow war zunächst außer sich. Er hat ja innerhalb von sechs Wochen zwischen Dezember 1989 und Ende Januar 1990 einen völligen Wandel seiner Position durchgemacht. Also war eigentlich die amerikanische Position die einzige – auch ein bisschen bedingt durch das gute Verhältnis der beiden Frauen –, die Kohl und seine bundesdeutsche Politik nicht ganz alleine dastehen ließ.
War Gorbatschows Sinneswandel vielleicht auch dem Einfluss seiner Frau geschuldet? Die schöne Geschichte der Wiedervereinigung als Liebesdienst für Raissa?
(Lacht) Dass »Gorbie« einen völligen Wandel vollzog, hat nichts mit Liebe zu tun oder mit dem Einfluss von Raissa. Es war einfach die kühle Einsicht, dass es keine direkte Landverbindung der Sowjetunion zur DDR gab und dass man die DDR aus wirtschaftlichen Gründen nicht halten konnte. Polen und die Tschechoslowakei wollten aus dem Warschauer Pakt raus, und so stellte sich die Frage: Schenken wir die DDR her, oder versuchen wir, möglichst viel rauszuholen als Gegenleistung für »unsere Kriegsbeute« – wie man in Moskau sagt. Deshalb ist es ein kleines Wunder der Geschichte, dass die Zustimmung zur Wiedervereinigung die Bundesrepublik nur fünfzehn Milliarden D-Mark gekostet hat, diese Direktzahlung an die Sowjetunion. Wenn Gorbatschow im Sommer 1990 gesagt hätte: »Das kostet nicht fünfzehn, sondern hundertfünfzig Milliarden«, dann hätten wir das auch bezahlt. Er war zu diesem Zeitpunkt, was die Deutschlandpolitik betraf, erstaunlicherweise sehr einsam. Nur eine kleine Gruppe folgte ihm, darunter der damalige Außenminister Eduard Schewardnadse. Viele andere im Politbüro waren dagegen. Und einen gewissen Einfluss hatte Raissa schon. Als Kohl und Genscher im Kaukasus waren, stand die heikle Frage an: Darf die neue, vereinte Bundesrepublik sich ihr Bündnis selbst aussuchen? Da sagte Raissa zwischen Tür und Angel zu Genscher: »Sie wissen, was mein Mann alles auf sich nimmt – und ich bestärke ihn darin.« Das war also auch ein außergewöhnliches Liebespaar, Gorbatschow und Raissa.
Michail und Raissa, Barack und Michelle, Napoleon und Désirée, Adolf und Eva. Wenn Professor Knopp bedeutende Liebespaare in ihren historischen Kontext einordnet, dann stellt man sich ihn mit seiner ganzen Deutungshoheit in einem Chesterfieldsessel thronend vor, in einem prachtvollen Bibliotheksraum mit holzvertäfelten Wänden, vielleicht begleitet vom Knacken der Holzscheite in einem offenen Kamin. Doch Guido Knopps Arbeitszimmer ist in einem ganz und gar schmucklosen ZDF-Bau aus den Siebzigerjahren untergebracht, den man, ohne groß übertreiben zu müssen, als »Baracke« bezeichnen könnte. Niemand würde ahnen, dass hier die stimmungsvollen Geschichtsstunden für Fernsehdeutschland entstehen.
Aber der Professor benötigt auch keine Bibliothekskulisse, um seinen Gesprächspartnern das Gefühl zu vermitteln, er lade sie gerade zu einer exklusiven Reise mit einer höchstpersönlich konstruierten Zeitmaschine ein. Und die sonore Stimme des Mittsechzigers, seine bisweilen spitzbübisch blickenden Augen und eine sich über 195 Zentimeter verteilende totale Lässigkeit lassen uns unweigerlich an den Typus Großvater denken, den wir immer gerne gehabt hätten. Ihn hätte man bei der ersten Verliebtheit ohne Scham um Rat gefragt, auf seine unendliche Weisheit vertrauend. Aber vielleicht lassen sich ja auch aus der Geschichte ein paar Lehren für die Gegenwart ziehen.
Vorhin haben Sie ja die US-Präsidenten durchdekliniert. Wie beeinflusste Ihrer Meinung nach die Liebe die deutschen Bundeskanzler?
Also – Konrad Adenauers
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