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Glauben Sie noch an die Liebe

Glauben Sie noch an die Liebe

Titel: Glauben Sie noch an die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Philipp Burgard , Justus Bender
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Frau Auguste war ja schon gestorben, als er Bundeskanzler wurde. Man verehrte den Alten aber sehr, und seine Sekretärin Anneliese Poppinga hält ja heute noch die Fahne der Erinnerung hoch.
    Heißt es nicht, dass sie etwas mehr gewesen sein soll als nur seine Sekretärin?
    Ja, aber dafür gibt es keinen historischen Beleg. Adenauers Nachfolger Ludwig Erhard führte vermutlich eine ganz normale, bürgerliche Ehe. Das Gleiche gilt für Kurt Georg Kiesinger. Dann kam Willy Brandt.
    Oha.
    Genau. Von ihm wissen wir, dass er eine große Anziehungskraft auf die Damenwelt hatte. Seine Frau Rut wusste auch partiell davon, aber sie blieb trotzdem bei ihm.
    Wie erklären Sie sich das? Wir haben für dieses Buch auch kurz vor ihrem Tod mit Margarete Mitscherlich gesprochen, die uns berichtete, dass Untreue einer der häufigsten Trennungsgründe sei. Dürfen sich mächtige Menschen mehr rausnehmen als Durchschnittsmenschen?
    Offenbar hatte die Ehefrau einer solch charismatischen Figur wie Willy Brandt das Gefühl: »Willy ist kein normaler Mensch, er ist ein ganz besonderer Mann und darf sich deshalb ein bisschen mehr erlauben.« Sie wusste sicher nicht alles, aber sie ahnte viel. Sie blieb jedoch nicht sehr lange über die Kanzlerzeit hinaus bei ihm.
    Blieb sie vielleicht auch aus einem Verantwortungsgefühl für Deutschland zunächst bei ihm?
    Tatsächlich mag bei Rut Brandt auch Loyalität eine Rolle gespielt haben und das Gefühl, sie dürfe ihm, dem Bundeskanzler, jetzt nicht in den Rücken fallen. Seine nächste Frau Brigitte Seebacher kam dann aus dem Kreis der Verehrerinnen. Sie pflegt noch heute die Brandt-Mythologie.
    Brandt gilt als extrem emotionaler Mensch. Er konnte Menschenmassen mit seiner Ausstrahlung von Lebensfreude euphorisieren, litt aber auch streckenweise unter Depressionen. Ist er mit diesem breiten Spektrum von Gefühlen einzigartig unter den deutschen Kanzlern?
    In der Fähigkeit zur Emotion hatte er sicher die breiteste Palette. Wahrscheinlich war das durch sein frühes Schicksal bedingt. Er wurde ja nicht von den Eltern, sondern vom Großvater erzogen. Und er musste sehr früh emigrieren. Beides sind mögliche Gründe für ein gesteigertes Liebesbedürfnis, das sich dann natürlich auch in Frauengeschichten austobte.
    Und die Deutschen haben ihn ja auch mehr geliebt als viele andere Kanzler.
    Willy Brandt hat wirklich Emotionen auf sich gezogen, er war Kanzler in einer Epoche, die von hochfliegenden Erwartungen geprägt war. Es war der Beginn der sozialliberalen Ära, die Jahre 1969 bis 1972. Das hat sich dann mit dem Katzenjammer 1973 rasch gegeben, der sich auch auf ihn ausgewirkt hat. Brandt konnte dann einfach mal krank sein und wochenlang im Bett liegen. Horst Ehmke, der damalige Chef des Bundeskanzleramts, beschreibt sehr genau, dass er eines Tages ins Schlafzimmer des Kanzlers gehen und sagen musste: »Willy, aufstehen, du musst jetzt regieren!« Brandt war zu diesem Zeitpunkt in Depressionen gefangen.
    Zum Mythos stilisiert wird die Liebe zwischen Helmut und Loki Schmidt. War das wirklich die perfekte Ehe?
    Es ist schon möglich, dass diese Ehe von der Öffentlichkeit ein Stück weit verklärt wird. Zumindest in den Fünfzigerjahren, so sagen die Bonner Auguren, als Helmut noch als einfacher Abgeordneter weit weg von Hamburg war, hat er wohl gelegentlich auch das rheinische Wesen erkundet. In einem gemeinsamen Interview mit Loki hat er dies einmal angedeutet. Dennoch war es wohl eine große Liebe zwischen den beiden, und Loki hatte gewiss Einfluss auf ihn.
    Fällt Ihnen ein deutscher Politiker ein, der wegen einer Frau seine Karriere riskiert hat?
    (Lacht) Nicht nur einer. Franz Josef Strauß etwa war eine Figur, bei der das Streben nach Macht und ein gesteigertes Liebesbedürfnis zwei Seiten einer Medaille waren. Wir wissen ja heute, dass er eine Liebesbeziehung zu einer Schülerin hatte – damals, Ende der Sechzigerjahre, in Bonn. Seine Frau Marianne fuhr in die Hauptstadt und stellte Strauß vor die Wahl: »Entweder hörst du jetzt damit auf, oder ich lasse mich von dir scheiden. Du weißt, was das in der CSU bedeutet!«
    Vergleichbar der Seehofer-Nummer vor ein paar Jahren …
    Genau. Und in den Sechzigerjahren wäre die Scheidung eines CSU -Politikers noch viel schlimmer gewesen als heute.
    Wir sprachen gerade darüber, wie sehr die Deutschen Willy Brandt liebten. Helmut Kohl war ein ganz anderer Kanzler und regierte dennoch sechzehn Jahre. Wie erklären Sie sich das?
    Die

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