Glauben Sie noch an die Liebe
Greta Friedman betont in ihrer Widmung: »I’m a dental assistant, not a nurse.«
Wie hat sich der Liebesbegriff eigentlich im Laufe der Geschichte gewandelt?
Der Begriff »Liebe« tritt erst seit der Mitte des 18. Jahrhunderts deutlich hervor, zumindest in der Lesart, wie wir ihn heute verstehen. Was man unter Sex versteht, das wurde in der Antike, in der römischen Zeit, auch als »Amor« bezeichnet. Ovids Werk »Ars amatoria«, die »Liebeskunst«, meinte ja eher diese deftige, körperliche Liebe. In der griechischen Zeit spielt der »Eros« eine große Rolle, der nicht nur auf das Verhältnis zwischen Mann und Frau bezogen war, sondern in Athen auch auf die Beziehungen zwischen Männern. Da gab es ganz deftige Bilder. Vereinzelt mag es auch in der Antike Liebe im heutigen Sinne gegeben haben, denken wir an Pyramus und Thisbe aus Ovids »Metamorphosen«. Im Mittelalter wurden Ehen eher aus Vernunft und versorgungstaktischen Gründen geschlossen. Zwar finden Sie den Begriff der Liebe schon damals in wenigen Ausnahmefällen, aber es war nicht dieser Topos, dieser Mythos, der heute in der bürgerlichen Gesellschaft besteht.
Kam die Wende zum heutigen Liebesbegriff in der Romantik?
Schon vorher, in der Zeit des Sturm und Drang, mit Goethe und den »Leiden des jungen Werthers«. Übrigens will ich gar nicht verneinen, dass es auch im Mittelalter zwischen Menschen so ein Urgefühl wie Liebe gegeben haben mag. Aber es hat gesellschaftlich und literarisch bei Weitem nicht die Rolle gespielt wie in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Da ist das Ideal der Liebe schon fast ein Erfordernis geworden. Wenn man heiratet, hat man sich einfach zu lieben, und die Liebe als bürgerliches Ideal hat gefälligst bis zum Tod zu halten. Wenn sie nicht hält, ist man gescheitert. So sah über viele Generationen der Grundkonsens aus. Doch wir werden ja mit einer anderen Realität konfrontiert: Jede zweite Ehe in Deutschland wird geschieden. Aber trotzdem lösen wir uns gar nicht gerne von dem Ideal.
Dieses romantische Ideal scheint also zu bröckeln, aber wir kehren wohl auch nicht zurück zu diesem mittelalterlichen Vernunftmodell. Wohin entwickelt sich nach Meinung des Historikers unser Liebesbegriff?
Ich glaube, unsere Art, zu lieben, wird eher hinführen zu dem, was Menschen wie Gerhard Schröder leben. Er sagte einmal: »Ich verliebe mich alle zwölf Jahre neu, und dazwischen bin ich treu.« In seiner aktuellen Ehe hat er schon ein bisschen länger durchgehalten. Ich glaube, von dem Ideal der Liebe, der Verliebtheit, will sich unsere Gesellschaft nicht trennen, aber man tendiert stärker zu den sogenannten Lebensabschnittspartnerschaften. Man ist weiterhin in die Liebe verliebt, aber sie hält eben oft nicht mehr fünfzig Jahre, sondern vielleicht nur zehn oder fünfzehn. Dann ist man bereit, sich neu zu verlieben. Das ist nicht mein Ideal, aber ich glaube, dass sich dieses Ideal in der Gesellschaft mehr und mehr durchsetzt.
Sie sprachen soeben Gerhard Schröder an, ein Kanzler, der auch die Gabe zum emotionalen Auftritt hatte. Er wuchs ja in bescheidenen Verhältnissen auf, wie er selbst immer wieder betonte. Glauben Sie, dass bei ihm dieses Bedürfnis, anerkannt und geliebt zu werden, besonders ausgeprägt war?
Ja, ganz sicher. Er hat offenbar in der Schulzeit Hänseleien und Zurücksetzungen erlebt, die einen starken Drang zur Kompensation ausgelöst haben. Dieses Gefühl kenne ich allzu gut. Ich habe beispielsweise die Ehre gehabt, durch das Abitur zu fallen.
Jetzt sind wir schockiert. Wir hatten Sie eher für einen Musterschüler gehalten!
Ich war ein fauler Sack und bin wegen der Naturwissenschaften durchgefallen. In der mündlichen Abiturprüfung bekam ich eine Sechs. Also musste ich ein Jahr wiederholen. Ich setzte mich heftig auf den Hosenboden und legte mit 1,2 ein so gutes Abitur hin, wie ich es vorher nie gemacht hätte. Das war auch Kompensation. Bei Schröder prägte dieser Kompensationsdrang sein ganzes politisches Leben, er wollte es allen zeigen.
Welche Rolle spielten Schröders Gattinnen für seine Karriere?
In seiner Zeit als niedersächsischer Ministerpräsident war er ja mit Hillu verheiratet. Viele Beobachter vermuten, dass sie ihm über die Jahre hinweg doch ein bisschen zu forsch und zu bestimmend wurde. Dann mochte er diese kleine, zarte, blonde Journalistin Doris, bei der er aber auch erst im Laufe der Jahre merkte, dass sie ihren eigenen Kopf hat.
Mit Angela Merkel zog eine Frau ins
Weitere Kostenlose Bücher