Glauben Sie noch an die Liebe
ändert sich, schauen Sie sich die neuen Umfragen an. Dieses gestörte Verhältnis der Deutschen zu sich selbst war ein Phänomen der alten Bundesrepublik und vielleicht der frühen Neunzigerjahre. Aber die Zeiten, in denen sich Deutsche im Urlaub gelegentlich als Schweizer ausgeben, damit sie nicht böse angeguckt werden, sind vorbei. Wir haben gelernt, Emotionen öffentlicher auszuleben, auch die Liebe zu uns selbst.
ROLF EDEN
»Sex hat doch mit Liebe nichts zu tun!«
Etwas ratlos stehen wir vor einer Villa im Berliner Nobelstadtteil Dahlem. Es ist elf Uhr vormittags. Zweimal schon haben wir geläutet, aber nichts rührt sich. Hat unser Gesprächspartner vielleicht unsere Verabredung vergessen?
Wir beschließen, noch fünf Minuten zu warten. Wie aus dem Nichts taucht plötzlich ein Gesicht hinter der Scheibe rechts neben der Tür auf. Es ist der Hausherr, der uns entgeistert anblickt. Er scheint nicht damit gerechnet zu haben, dass wir allen Ernstes pünktlich auf die Minute bei ihm auf der Matte stehen würden. Vielleicht hätten wir es wissen müssen – schließlich haben wir keinen Termin beim Patentanwalt, sondern bei Deutschlands berühmtestem Playboy.
Rolf Eden öffnet die Tür und entschuldigt sich. Seine fast schulterlangen, gelbgoldenen Haare stehen noch ungebändigt vom Kopf ab, die Knöpfe seines rosafarbenen Leinenhemds sind noch nicht geschlossen. Barfuß führt er uns ins Wohnzimmer, bietet uns Kaffee und Kekse an und bittet um etwas Geduld. Er müsse sich noch frisch machen. Dann schaltet er für uns den Fernseher ein und verschwindet in der Maske. So haben wir Gelegenheit, uns etwas umzuschauen in diesen heiligen Hallen der Frivolität.
Sehr weiß ist es hier und ein bisschen plüschig. Neben der ins Wohnzimmer integrierten Bar wacht ein hüfthoher goldener Pudel und macht Männchen. In der Ecke steht ein cremeweißes Klavier. Im Garten lädt ein Pool zum Fantasieren ein. Wir glauben, hier keine Überraschungen mehr entdecken zu können, denn Eden scheint jeden Winkel seines Lebens ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken. So erzählt er in fast jeder Talkshow, dass er mit mehr als tausend Frauen geschlafen habe. Damit noch viele weitere hinzukommen, verspricht der über Achtzigjährige in seinem Testament jener Dame, die ihn im Moment seines Todes betört, ihn förmlich in den Himmel reitet, 250 000 Euro. Sogar in sein Schlafzimmer haben ihn Kamerateams begleitet. So durfte die Republik erfahren, dass Eden an seinem Bett Knöpfe angebracht hat, mit denen er nicht nur durch Lichtdimmung und Musik die Stimmung in seinem Sinne beeinflussen kann, sondern auch mithilfe einer herunterfahrbaren Leinwand, auf der er bei Bedarf inspirierende Pornofilme abspielt.
Allzeit bereit, gibt Rolf Eden über seine Vorlieben Auskunft. Nur eine Frage hat der Playboy unseren Recherchen zufolge noch nie befriedigend beantwortet: Glaubt er an die Liebe? Und ist er überhaupt fähig, in einem nicht körperlichen Sinne zu lieben?
Einen ersten Hinweis, dass Eden hinter seiner aufwendig gelifteten Fassade vielleicht doch eine gewisse Tiefe, gar ein Geheimnis verbergen könnte, gibt das Fernsehprogramm, das er für uns eingeschaltet hat. Es läuft ein israelischer Nachrichtensender. Was nur wenige wissen: Rolf wird von seinen Verwandten Shimon genannt. Seine Eltern und Großeltern flüchteten nach der Machtergreifung der Nazis mit ihm nach Palästina. Als junger Mann kämpfte er im Unabhängigkeitskrieg in einer Eliteeinheit unter Jitzchak Rabin, die meisten seiner Kameraden wurden getötet. Mitte der Fünfzigerjahre kehrte er nach Berlin zurück und eröffnete mehrere Diskotheken, die wegen ihres schillernden Eigentümers international bekannt wurden. 2002 verkaufte Eden seinen letzten Club »Big Eden«. Heute besitzt er rund siebenhundert Wohnungen und ist nach dem Tod von Gunter Sachs Deutschlands letzter Playboy. Sachs glänzte mit Brigitte Bardot, und auch Eden hat eine Brigitte – die eigentlich Aline heißt und sich »Bridschit« ausspricht. Sie hätte ihn fast um seinen Playboystatus gebracht. Aber darüber können wir nur leise reden, denn Brigitte schläft noch in der ersten Etage, und der Hausherr will sie nicht wecken.
Herr Eden, eigentlich haben Sie Ihren Playboytitel doch verwirkt, oder?
Wie kommen Sie denn darauf?
Sie haben drei Ihrer goldenen Playboyregeln gebrochen: Sie sind mit einer Frau zusammengezogen. Diese Frau ist älter als neunundzwanzig. Außerdem hätten Sie diese Frau fast
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