Glauben Sie noch an die Liebe
Schauspielerei loderte schon lange in mir.
Wo empfinden Sie denn die größte Befriedigung als Schauspielerin – in der Filmrolle oder auf der Theaterbühne?
Das sind ja zwei völlig verschiedene Paar Schuhe. Beides macht mir großen Spaß. Das Schöne am Theater ist, dass es so ehrlich ist, ein ehrliches Handwerk. Beim Fernsehen wird ja doch häufig mit Illusionen gearbeitet, und man kann vieles hinterher noch im Schnitt oder im Ton bearbeiten. Eine Menge Szenen werden in einer Bluebox gedreht und später eingebaut. Beim Theater gibt es kein Netz und keinen doppelten Boden. Sie müssen textsicher sein. Und selbst wenn Sie mal einen Hänger haben, ist das okay, das Publikum liebt das. Das Tolle am Theater ist, dass man als Schauspielerin das direkte Feedback der Menschen bekommt.
Was genau spüren Sie von diesem Feedback, in welchen Momenten fühlen Sie sich besonders geliebt?
Der Idealzustand ist, wenn das Publikum an der richtigen Stelle lacht, wenn es am Ende zufrieden ist, glücklich ist, applaudiert. Hier und da bekommt man auch mal stehenden Applaus, was natürlich das Größte für jeden Künstler ist. Und wenn man dann nach der Vorstellung noch Zuschauer an der Bar des Theaters trifft, sich mit ihnen unterhält und eine Rückmeldung bekommt, ist das besonders toll. Letztens hat mich sogar jemand auf der Straße angesprochen und gesagt: »Ich habe Sie neulich in dem und dem Stück gesehen, es war so toll, wir kommen noch mal!« Da geht mir das Herz auf. Das liebe ich, das macht mich glücklich. So fahre ich mit einem breiten Grinsen ins Theater und mit einem noch breiteren und glücklichen Grinsen nach Hause.
Wie genau bereiten Sie sich auf Ihre Rollen vor?
Ich mache eine Vita oder eine Anamnese meiner Rolle. Und wenn ich zum Beispiel eine Polizistin oder eine Psychologin spiele, informiere ich mich bei Menschen aus diesen Berufsgruppen. Auf der Bühne bewahre ich mir außerdem eine gewisse Offenheit, mich überraschen zu lassen, auch von mir selbst. Mein Bauchgefühl hat mich noch nie enttäuscht.
Hat Ihr Bauchgefühl Ihnen auch am Ende Ihrer Karriere als Erotikdarstellerin gesagt, dass Sie eine Chance haben, sich als Schauspielerin zu etablieren? Anfangs gab es ja Kritiker, die Sie etwas belächelt haben …
Natürlich hatte ich anfangs Zweifel und dachte manchmal: »Ich packe das nicht, ich werde wieder Kinderkrankenschwester!« Aber mein Mann war mir in entscheidenden Phasen mit seinem Zuspruch eine große Stütze. Außerdem hatte ich tolle Kollegen wie Dieter Pfaff, der mich zu diesem Beruf überhaupt erst ermutigt hat.
Was hat Dieter Pfaff zu Ihnen gesagt?
»Du musst eine Rolle nicht spielen, sondern du musst sie sein, du musst sie leben und erleben.« Genau das hat er mir zugetraut, auch wenn es eine Zeit dauert, bis man sich so intensiv in eine Rolle hineinversetzen, ihr Leben einhauchen kann.
Ist es deshalb für Sie vorteilhaft, dass Sie keine klassische Schauspielausbildung haben, weil Sie somit weniger spielen und mehr aus sich selbst schöpfen können?
Tatsächlich haben mir Regisseure wie Marcus Rosenmüller gesagt: »Mach keine Schauspielausbildung, dort trainieren sie dir die Natürlichkeit ab!« Um die Technik zu lernen, habe ich allerdings schon an Workshops teilgenommen: Camera-Acting, Persönlichkeitsentwicklung, Sprechtraining. Durch das Theaterspielen bekam ich noch mal die Bestätigung, dass es wirklich das ist, was ich will und was ich liebe.
Dass Michaela Schaffrath ihren neuen Beruf gefunden hat und nicht mehr auf die zwei Jahre als Erotikdarstellerin reduziert werden will, demonstriert sie bereits mit ihrer Garderobe. Natürlich haben wir uns im Vorfeld des Gesprächs in einem Kölner Café gefragt, wie der ehemalige Erotikstar »in natura« auftreten würde, schließlich fiel ihre erste Schaffensperiode in unsere Jugendjahre.
Sie trägt einen braunen Rollkragenpullover und einen langen Rock zu hohen Stiefeln. Das Gesicht ist nur dezent geschminkt, auf ihren Lippen schimmert eine dünne Schicht Lipgloss.
Welche Charaktere verkörpern Sie besonders gern?
Ich mag Rollen mit vielen Nuancen. Am Theater spiele ich zum Beispiel gern die Debbie Lewis in »Zauberhafte Zeiten«. Sie wechselt unheimlich schnell ihre Stimmungen.
Welche Ihrer eigenen Charaktereigenschaften spiegeln sich in Debbie wider, und was ist weniger Ihr Naturell?
Es ist immer so schwer, über seinen eigenen Charakter zu reden. Aber andere sagen, dass sie meine Herzlichkeit und mein Helfersyndrom in der
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