Glauben Sie noch an die Liebe
bin!«
Können Sie aus wissenschaftlicher Sicht das Klischee bestätigen, dass Männer bei Frauen nach dem Aussehen gehen und Frauen bei Männern nach dem Einkommen?
Der Heiratsmarkt ist der härteste Markt der Welt und hat eine Reihe eigener Gesetze, die für jeden Einzelnen nicht gelten müssen, aber in Gruppen immer wieder belegt sind. Männern ist das Aussehen tatsächlich wichtig, weil es damit um das verbundene Versprechen von Fruchtbarkeit geht. Männer werden aber auch gerne bewundert, und dafür brauchen sie nicht nur eine schöne Frau, sondern auch eine, die zu ihnen aufschaut. Im Krankenhaus heiratet der Chefarzt selten eine Chefärztin, sondern eher die Stationsleiterin oder die Krankengymnastin. Aber die Chefärztin heiratet selten eine männliche Pflegekraft. Was aber auch daran liegen kann, dass die sich nicht für Frauen interessiert. Die Welt ist komplex.
Und Frauen wollen Chefs, weil die viel Geld haben?
Nein. Frauen wollen Männer, die ihnen überlegen sind. Das muss nichts mit Geld zu tun haben, es kann auch Ruhm sein, Intelligenz oder Körperkraft. Und deshalb bleiben bei dem Verteilungskampf automatisch zwei Gruppen übrig: schlaue Frauen und doofe Männer.
Damit bestätigen Sie ein Klischee.
Nein, es verändert sich gerade rasant. Die eigentliche Pointe der Geschichte ist doch, dass sich das jahrtausendealte Spiel des Patriarchats gerade auf den Kopf stellt. Die moderne Frau braucht keinen Versorger mehr, sie will vielleicht auch nur ab und an einen Besorger. Sie hat ihr eigenes Geld, eigene Ziele, eigene Bedürfnisse. Warum soll sie es mit einem Knacker aushalten, wenn sie auch etwas Knackiges haben kann?
Hirschhausen mümmelt sein Müsli. Am Vorabend hat er mehrere tausend Menschen mit seinen Theorien über die Liebe unterhalten. Er hat gesungen, geflüstert und getanzt. Und gerade bei ihm, der in der Öffentlichkeit nie über sein Privatleben spricht, fragt man sich, ob das alles eine Rolle ist: die Betrachtung der Liebe aus Sicht des Arztes, das Zitieren von wissenschaftlichen Studien, das Dasein als Kopfmensch, von dem er selbst behauptet, es mache nicht glücklich. Seine Antworten in diesem Interview gleichen den Sätzen seiner Show manchmal bis aufs Wort. Ist das der wahre Hirschhausen, wie ihn seine Frau erlebt, oder der Arzt, der einen Weg gefunden hat, mit dem Wissen des Mediziners ein Millionenpublikum zu unterhalten?
Herr von Hirschhausen, Sie sprechen über Hormone, Instinkte, Gene. Das klingt alles nicht sehr romantisch. Glauben Sie überhaupt an die Romantik?
Wir sind alle zwischen zwei unvereinbaren Positionen zerrissen, zwischen Romantik und Realismus. Der Romantiker in uns sagt, dass es für jeden Menschen auf der Welt genau einen richtigen Partner gibt. Und der Realist sagt: »Da muss ja nur einer den Falschen nehmen, und dann geht’s für alle nicht mehr auf.« Und wir alle kennen einen, der einen Falschen hat.
Sind Sie Realist, was die Liebe anbelangt?
Wahrscheinlich eher Realist als Romantiker. Ich würde aber nicht so weit gehen wie Immanuel Kant, der gesagt hat: »Die Ehe ist ein Gesellschaftsvertrag zur gegenseitigen Nutzung der Geschlechtsorgane.«
Wie weit gehen Sie stattdessen?
Ich gehe so weit zu sagen, dass es ausgerechnet die Idee der perfekten Liebe, des romantischen Dauerglücks und der bedingungslosen Leidenschaft ist, die uns reihenweise so unglücklich macht.
Warum?
Weil wir zu viel erwarten von unseren Beziehungen. Und weil wir uns ständig zu viele Gedanken über die Liebe machen, uns vergleichen und schlecht fühlen, statt zu lieben, was ist.
Wenn es die perfekte Liebe nicht gibt, wie kann die Liebe dann funktionieren?
Woher soll ich das wissen? Frauen wünschen sich immer, dass die Männer sich ändern, und sie tun es nicht. Und Männer wünschen sich, dass die Frauen sich nicht ändern, und sie tun es. Es kann vielleicht funktionieren, indem wir verstehen, dass zu einer Beziehung auch Tage gehören, an denen nicht alles gut ist. Und indem wir viel reden, nur nicht ständig über die Beziehung. Es ist nichts Schlechtes daran, Kompromisse zu machen. Wenn der Partner eine bestimmte Vorliebe hat, dann tun Sie ihm doch den Gefallen, und umgekehrt genauso. Es tut nicht weh, sich gegenseitig glücklich zu machen, am Ende sind alle zufriedener.
Glauben Sie, dass es sich lohnt, zu lieben?
Aber natürlich. Wofür lohnt es sich denn sonst zu leben? Manche erleben eine große Liebe im Leben. Andere täglich viele kleine. Kann man sie
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