Glauben Sie noch an die Liebe
sofort Riesenprobleme. Die anderen Frauen fragten: »Was will die?« Und sie hatte einen Hund, der zum Hauptproblem wurde.
Ein Hund als Hürde für den Harem?
Ja! Wir haben sie gefragt: »Warum liebst du den Hund mehr als irgendeinen Menschen?«
Aber sollte man denn nicht alle Lebewesen lieben dürfen?
Einen Hund zu lieben ist bloß eine kleine Form der Liebe. Die meisten Menschen lieben ja nur deswegen Tiere, weil sie Menschen nicht lieben können. Und die größere Liebe ist natürlich die zu dem geistigen Wesen, wie du es selbst bist. Da kannst du deine Liebe auch mehr entwickeln. Es geht eben immer um diese größere Möglichkeit, zu lieben.
Kommen denn öfter Frauen, die sich sozusagen bewerben und mit dabei sein wollen?
Ja, es kommen immer wieder welche. Es kommen auch Jüngere, die sagen, sie wollen wie Hippies leben. Die wollen dann irgendwie beitreten, und wir sagen ihnen, dass das nicht so einfach ist.
Ihre fünf Frauen scheinen ja auch in gewisser Weise eifersüchtig zu sein. Gibt es manchmal Streit?
Wir streiten uns nicht mehr jeden Tag. Viele Konflikte hängen mit der sogenannten Beziehungsfähigkeit der Frauen zusammen. Aus biologischen Gründen wollen sie eine sichere Bindung an einen Mann. Der ist dann für ihr Leben verantwortlich: »Du bist schuld, dass ich unglücklich bin.« Sie versuchen daher, ihn zu verändern. Diese Bindungen aber hindern einen daran, sein Leben richtig, also selbstverantwortlich, zu führen.
Wie lösen Sie solche Konflikte?
Wir treffen uns dann meinetwegen ein, zwei, drei, vier Stunden am Tag. Wir kommunizieren sonst aber auch über Medien, also Telefon und Internet. Letztlich lebt jeder physisch für sich allein, nur im Geistigen sind wir sehr verbunden.
Mit dem Sex, Drugs und Rock ’n’ Roll der Kommune 1, mit dem viele Menschen Sie noch heute verbinden, hat das rein gar nichts mehr zu tun, oder?
Doch! In der Anfangszeit der Kommune 1 hatten wir zwar keine Drogen, praktisch keinen Sex, keine Musik. Wir hatten viel mehr: Wir waren ein Jahr lang auf einem Supertrip, wir lebten nicht in unseren normalen, materiellen Körpern, sondern waren immer »oben«. Weil wir plötzlich wussten, was Liebe ist. Was wirklich ist. Wir lebten!
Was ist denn Liebe?
Liebe ist Kommune. Und Kommune ist: Menschen verändern, in Liebe, zu besseren Menschen. Ein liebender Mensch ist immer ein spiritueller Mensch. Ein materialistischer Mensch kann nie lieben. Wer materialistisch versucht zu lieben – übrigens auch über Sexualität –, der wird nie weiter kommen als bis zu einer zeitweiligen Liebe, die aber irgendwann wieder in materiellen Kämpfen verkommt.
Woran machen Sie das fest?
Wenn die Menschen heiraten und wirklich auf Dauer materialistisch leben, geht es nie! Die wahre Liebe ist hier gar nicht möglich. Nicht in unserer Materie. Deswegen sterben die großen Liebenden – sie können es gar nicht leben: Romeo und Julia und so weiter. Große Liebe geht nicht in der Materie.
Nur wer auf alles Materielle verzichtet, kann die große Liebe erhalten?
Genau. Liebe ist immer etwas Geistiges, etwas Nichtmaterielles. Und damals haben wir zum Glück erkannt: Kommune ist es. In der Kommune lebt man zusammen, es gibt keinen Besitz, keine Zweierbeziehungen. Was sind Zweierbeziehungen? Das sind materielle Zusammenlebens- oder Überlebensvereinbarungen, die die Leute dann vielleicht materiell gut leben lassen, aber es ist keine Liebe in ihnen möglich.
Wie haben Sie die Liebe in der Kommune 1 in der Zeit gelebt, als es noch keine Drogen und keinen wilden Sex gab? Was haben Sie den ganzen Tag gemacht?
Im Gegensatz zu Leuten wie Rudi Dutschke, der 1966 Gretchen Klotz heiratete, haben wir vierundzwanzig Stunden lang die »Revolutionierung des Alltags« vorangetrieben. Zu Rudi haben wir nach seiner Heirat oft gesagt: »Rudi, was machst du denn? Das ist ’ne Spießerehe – und du willst ein Revolutionär sein?« Da hatten wir alle schon von Mao gehört, von der »Revolutionierung der Revolutionäre«, von der »permanenten Revolution«.
Die Liebe hat Rudi Dutschke also als halbherzigen Revolutionär enttarnt?
Man kann nicht bloß die Revolution fordern, sondern muss sie auch machen: zunächst bei sich selbst. Er sagte nur: »Ich kann nicht anders, wir haben jetzt ein Kind, das geht nicht, und ich hab Gretchen gesagt …« Und wir haben geantwortet: »Rudi, das geht nicht, wenn du ein Revolutionär sein willst!« Er fand aber, das ginge doch. Und ich finde, es ist typisch, was dann
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