Glauben Sie noch an die Liebe
passiert ist. Er hat – wie Gretchen schrieb – irgendwann ganz spät noch »unsere kleine sexuelle Revolution« versucht und ist dann zum Märtyrer geworden.
Wie sah Dutschkes »kleine sexuelle Revolution« denn aus?
Er war der normale Spießer wie wir alle. Und der hat natürlich auch mit anderen Frauen geschlafen. Aber das durfte Gretchen nicht wissen. Jedenfalls haben wir gesagt, dass das ganz anders geht, und haben das auch jeden Tag in der Kommune miteinander gelebt. Er hat wohl erst nach seiner Genesung vom Attentat mit Gretchen etwas versucht. Einzelheiten hat sie nicht beschrieben.
Was war Ihr Ziel in Bezug auf die Liebe?
Wir wollten herausfinden, wo wir nicht liebesfähig sind. Diesen Teil in uns wollten wir ausbauen und stattdessen einen anderen Teil in uns finden, der so liebesfähig war, wie es unserem sogenannten 68er-Gefühl nach möglich oder nötig war.
Das klingt wie eine extreme Psychoanalyse, wo man sich ständig mit sich selbst auseinandersetzt …
Ja, allerdings sehr extrem. Denn Psychoanalyse passt einen ja nur an die bestehende Gesellschaft an. Wir aber wollten eine neue Gesellschaft erfinden. Wir wollten den neuen Menschen in uns finden. Wir meinten, dass es notwendig sei, die ganze Welt zu erneuern, denn sonst würde sie untergehen. Die Menschen würden sich immer wieder gegenseitig umbringen, wie in den beiden Weltkriegen. Das durfte nie wieder sein.
Warum hat sich Ihr Modell der Kommune nicht im großen Stil durchgesetzt?
Weil selbst Revolutionäre wie Rudi es nicht gelebt haben. Sie meinten, man müsste nur das große Ganze verändern, das System. Das Sein bestimme das Bewusstsein. Wir aber sagten: »Schaut doch die DDR an! Die haben den Kapitalismus abgeschafft, aber der Mensch ist noch immer der alte und schafft deswegen einen Staatskapitalismus. Genau die gleiche Scheiße!«
Aber nicht nur in der Praxis der DDR hat das Modell des Alles-Teilens nicht funktioniert, sondern auch in Ihrem Mikrokosmos Kommune. Was war die Ursache des Scheiterns?
Eine Zeit lang hat es bei uns durchaus wunderbar funktioniert. Die Probleme begannen, als wir aus unserer Hochekstase wieder in unsere alten Körper zurückrutschten, als das Materielle wieder ins Spiel kam: der Sex, die Drogen, der Krieg. Wir waren dieses eine Jahr auf diesem super Liebestrip gewesen, ohne Drogen und andere Hilfsmittel, und dann verließ uns diese unglaubliche ekstatische Verfassung plötzlich. Wir wussten nicht, woher sie gekommen – und wohin sie gegangen war.
Und um diese ekstatische Verfassung zurückzugewinnen, griffen Sie zu »Hilfsmitteln«?
Genau. In dem Augenblick, wo du aus dieser Superekstase wieder herausfällst, willst du nie wieder zurück in das alte Leben. Du tust alles, um wieder dorthin zu kommen. Wir merkten, wie wir uns immer weniger mochten. Was machst du also? Du greifst zu den klassischen, bürgerlichen Ekstasetechniken: Drogen, Musik, Sex. Manche eben auch zu Krieg wie die RAF oder zu Kaderparteien wie die K-Gruppen. Wir probierten alles aus. Damals gab es diese neuen Drogen, vor allem LSD . Wir haben den Sex ausprobiert, ich vor allem. Sexuelle Revolution, Uschi Obermaier.
Wette gewonnen. Vor dem Gespräch hatten wir uns fest vorgenommen, nicht von uns aus auf Uschi Obermaier zu sprechen zu kommen. Wir wollten testen, ob sie Langhans wirklich so egal ist, dass er ihren Namen nicht mehr in den Mund nimmt. Seit Obermaier ihre Biografie »Das wilde Leben« veröffentlichte, die 2007 auch verfilmt wurde, sind die beiden zerstritten. Im Vorfeld des Films hatte Obermaier in Interviews Langhans als verklemmten Typen dargestellt und der Nation via Bild von angeblichen Orgasmusproblemen ihres Exfreundes berichtet. Für Langhans ein Stich ins Herz – und eine Etage tiefer.
Aber hängt er nicht doch noch an ihr? Lebt er vielleicht sogar in München, weil er mit ihr hierhingezogen war, als die Kommune 1 im Streit auseinanderbrach? Das Gespräch wird spannend.
Hat Uschi Obermaier es geschafft, Sie zurück auf den Supertrip zu bringen?
Ich kann nur eines sagen: All diese Ekstasetechniken haben nicht wieder dahin geführt. Eine Weile hab ich es versucht. Dann sagte ich zu Uschi: »Es stellt mich nicht zufrieden, weil es nicht dahin führt.« Aber sie verstand mich nicht – sie hatte ja diese Erfahrung nicht mitgemacht.
Wie hat sie reagiert, als Sie ihr eröffneten, dass sie als Ekstasetechnik nicht funktioniert?
Sie ist bis heute entsetzt darüber und schreibt mich als verklemmt ab, weil ich damals
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