Glauben Sie noch an die Liebe
mitgebracht, vielleicht in der Sorge, ein so persönliches Gespräch wie das über die Liebe könnte für ein Mitglied der Bundesregierung peinlich enden.
In einem Besprechungszimmer nimmt Ursula von der Leyen auf einem grauen Sofa Platz. Ihre Sprecherin serviert ihr Kaffee.
Frau von der Leyen, wir möchten Sie ganz unverblümt fragen: Wie kommt man auf die verrückte Idee, sieben Kinder zu bekommen?
Wieso? Das ist doch wunderbar, es gibt nichts Schöneres!
Es ist aber auch eine Heidenarbeit.
Ich hatte selbst sechs Geschwister, das hat mich sehr geprägt. Wir haben das immer als ausgesprochen schön empfunden. Entweder man liebt es, oder man hasst es. Dazwischen gibt es wenig.
Was ist das Schöne an einer Großfamilie? Man muss die Liebe der Eltern doch mit vielen Konkurrenten teilen.
Nein, Liebe kommt ja nicht in abgezählten Portionen daher, sondern wächst, je mehr man davon gibt. Großfamilie ist das Gefühl der Geborgenheit. Man lebt wie auf einer Insel, das merke ich bei meinen Kindern auch. Wir sind uns selbst immer genug. An Ostern zum Beispiel sind wir zu neunt, mit meinem Vater zehn, und es ist unglaublich viel Trubel. Die Kinder haben eine bestimmte Tonart untereinander, wie Witze oder Geschichten erzählt werden. Wenn man viele Geschwister hat, ist immer jemand da, auf den man sich verlassen kann. Das habe ich in schwierigen Zeiten, zum Beispiel, als mein Vater krank wurde, als sehr hilfreich empfunden. Wir haben uns die Aufgaben geteilt.
Viele Eltern empfinden schon ein Kind als anstrengend. Das Siebenfache dieser Anstrengung erfordert vermutlich viel Selbstdisziplin.
Am anstrengendsten war für mich die Umstellung nach der Geburt des ersten Kindes. Ich hatte das Gefühl, von der völligen Freiheit in eine Situation zu geraten, in der man keine Sekunde des Tages mehr für sich hat. Ich habe mich panisch gefragt: »Wird das jemals anders?« Und es wird anders! Es ist irgendwann nicht mehr kraftraubend, sondern durch das, was die Kinder an Liebe zurückgeben, eher kraftspendend.
Bekommt man mit jedem Kind mehr Routine?
Absolut. Mein Mann und ich haben uns riesig über jedes Kind gefreut. Am glücklichsten waren wir aber, als sich das siebte eingeschlichen hat. Wir konnten es nicht fassen, dass uns überhaupt noch einmal ein Kind geschenkt wird. Man wird in vielen Dingen auch geschickter. Beim ersten Kind war ich gestresst, erschöpft, mit meinen Nerven am Ende. Ich dachte: »Das kann doch wohl nicht wahr sein!« Aber es wird immer besser. Beim zweiten, dritten, vierten, fünften und sechsten Kind weiß man, was auf einen zukommt. Beim siebten Kind war es eigentlich nur noch ein Geschenk. Dieser magische Moment, wenn es da ist, sich bewegt und atmet. Man freut sich dann schon darauf, wenn es anfängt, sich selbst auf den Bauch zu drehen, weil man diese Dinge bereits kennt.
Wenn Ihr siebtes Kind sich »eingeschlichen« hat, hatten Sie offenbar nicht geplant, so viele Kinder zu bekommen?
Die Zahl ist ein fast schon unheimlicher Zufall. Meine Großmutter hatte sieben Kinder, meine Mutter hatte sieben Kinder, ich habe sieben Kinder. Sogar die Mischung der Geschlechter ist gleich, nur zum Teil umgekehrt. Meine Großmutter hatte zwei Söhne und fünf Töchter, meine Mutter hatte fünf Söhne und zwei Töchter, und wir haben wieder zwei Söhne und fünf Töchter. Das ist eine nette Koinzidenz, gewünscht haben mein Mann und ich uns einfach viele Kinder. Wobei ich glaube, dass mein Mann unter »vielen Kindern« etwas weniger verstanden hat.
Nämlich?
Er hat drei Geschwister, vielleicht in der Größenordnung. Man kann so etwas überhaupt nicht planen. Ich habe viele Freundinnen, die sich mehr Kinder gewünscht haben, bei denen aber die Ehe nach dem ersten oder zweiten Kind in die Brüche ging. Manche haben dann mit vierzig wieder geheiratet und gesagt: »Ich hätte gerne mehr Kinder gehabt.« Bei manchen geht es aus medizinischen Gründen nicht. Man weiß auch nie, ob ein Kind nicht vielleicht schwerbehindert ist, das kostet Kraft und Mut. Dass es bei uns sieben geworden sind, ist wunderbar. Und dass dabei Zwillinge sind, haben wir immer wie ein Sahnehäubchen empfunden, das Mutter Natur uns geschenkt hat.
Die Liebe der Eltern zu ihren Kindern wird oft genug strapaziert. Manche Säuglinge schreien alle zwanzig Minuten aus Langeweile. Kann das die Liebe erschöpfen?
Das ist doch eine kluge Art, die notwendige Zuwendung der Eltern zu erzwingen. Das Baby braucht dann einfach Zuwendung, will spielen.
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