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Glauben Sie noch an die Liebe

Glauben Sie noch an die Liebe

Titel: Glauben Sie noch an die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Philipp Burgard , Justus Bender
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die länger dauern, schließlich in eine Art Suchtzustand. Und wie alle Süchtigen empfinden wir den Anlass der Ausschüttung als Belohnung. Der Alkoholiker ist in der Erwartung, zu trinken, auch der Meinung, dass das ganz großartig sei.
    Liebende haben also etwas mit Alkoholikern gemeinsam?
    Das habe ich nicht gesagt. Ich habe bloß gesagt, es gibt einen Widerspruch verschiedener Aspekte. Der rein neurobiologischen Interpretation von Liebe steht unser romantisiertes Weltbild gegenüber, in dem es gerade nicht nur um solche Körperlichkeiten gehen darf.
    Das ist wahr. Man kann bei einem Treffen mit einer Frau eben nicht sagen: Ich habe ein neurobiologisches Bedürfnis, das ich mit dir befriedigen will.
    Aber Sie können sagen: »Ich begehre dich.« Der ganze Körper schreit in diesem Augenblick nach einem Partner.
    Dennoch ist der körperliche Aspekt der Liebe in der romantisierten Gesellschaft verpönt.
    Ich denke manchmal, dass dies vielleicht nur eine Phase ist, in der wir leben. Die Romantik liegt als Epoche gerade mal zweihundert Jahre zurück. Man erzählt dem Partner eine Geschichte, die aber in der Regel nicht erfüllbar ist. Man verspricht ewige Treue und gleichbleibende Gefühle, ohne zu realisieren, dass man diese Dinge nicht beeinflussen kann.
    Wieso? Man kann sich doch entscheiden, mit jemandem zusammenzubleiben!
    Das schon. Das Zusammenbleiben ist ja auch eine Handlung, kein Gefühl. Schauen Sie sich um: Sie sitzen bei mir in einem Anwaltsbüro. Hier kann man ein Versprechen in Bezug auf Handlungen abgeben und mit einer hohen Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass der Versprechende das Versprechen erfüllt. Aber Sie können keine Gefühle versprechen. Sie können nicht versprechen, jemanden in zehn Jahren noch zu lieben.
    Haben Sie also ein Problem mit der Romantik?
    Sicher nicht. Ich habe meinen Freundinnen früher auch gerne Liebesgedichte geschickt. Ein Romantiker zu sein, ohne blind an die Romantik zu glauben, ist ein sehr angenehmer Zustand.
    Wenn ewige Treue immer ein schwieriges Versprechen ist – darf ich dann meiner Frau überhaupt böse sein, wenn sie sich in einen anderen Mann verliebt?
    Sie können traurig sein. Aber böse? Ich weiß nicht. Mich interessiert diese Frage in einem viel größeren Kontext: Ist abweichendes Verhalten wirklich etwas, das objektiv falsch ist? Und: Wie reagiert eine Gruppe bei abweichendem Verhalten? Der Ehebruch zum Beispiel ist etwas, das mit der Liebesfrage eigentlich gar nicht mehr verbunden ist.
    Würde ich meine Frau betrügen, würde sie das sehr wohl mit der Frage in Verbindung bringen, ob ich sie noch liebe.
    Das meine ich nicht. Ich meine, dass jemand, der die Ehe gebrochen hat, nicht gefragt wird, ob er seinen Partner liebt. Das Gebot der Treue ist unabhängig von der Frage, ob man denjenigen liebt, dem man angeblich zur Treue verpflichtet ist. Sagt ein Ehebrecher, er liebe seine Frau nicht, und er habe sie deshalb mit einer anderen Frau betrogen, dann wird das von der Gesellschaft nicht als Entschuldigung anerkannt. Sondern es wird gesagt: Die Ehe an sich ist heilig.
    Finden Sie es pervers, dass die Gesellschaft auch solche Menschen zur Treue verpflichtet, die sich gar nicht lieben?
    Ich weiß nicht, ob es pervers ist. Sie sind sehr schnell! Ich stelle nur fest, dass der Begriff der Liebe sich in der moralischen Debatte verselbstständigt. Das kann man gerade beim Ehebruch sehen. Bis vor weniger Zeit konnte man sich in Italien nicht scheiden lassen. Der Vatikan wollte das nicht. Und die Begründung der Partner »Wir lieben uns nicht mehr« führt nicht zu einer Entlassung aus der Ehe. Das wiederum ist ein krasser Widerspruch zu der Art, wie die Partnerschaft bei der Eheschließung begründet wird. Man sagt: Es ist die große Liebe, und sie führt zum heiligen Bund der Ehe. Beachten Sie diese Worte: heiliger Bund der Ehe. Und wenn in diesem heiligen Bund einer sagt: »Ich liebe nicht mehr A, sondern B«, und begeht Ehebruch, dann ist das Todsünde.
    Vielleicht haben Sie, rational gesehen, recht. Aber kein Paar möchte heiraten und sagen: Ich will dich lieben und ehren – bis ich es mir vielleicht anders überlege. Der Ewigkeitsanspruch ist also nichts, was Paaren von der Gesellschaft aufgezwungen wird.
    Die Frage ist doch nicht, ob Sie sich diesen Schwur wünschen, sondern wie ernst Sie ihn nehmen. Und zweitens, welche Sanktionen Sie zu erwarten haben, wenn Sie den Schwur brechen. Auch da ist der gesellschaftliche Zwang so stark, dass viele

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