Glauben Sie noch an die Liebe
losgeht. Spätestens, wenn sie aus dem Haus sind, kommen sie als aufmerksame, freundliche Menschen zurück, und man denkt: »Mensch, bist du klasse geworden.«
Ist Ihre Leidenschaft für die Familie schon einmal in Konflikt geraten mit Ihrem Ehrgeiz, in der Politik Karriere zu machen?
Ich bin aus zwei Gründen immer berufstätig geblieben. Erstens, weil ich meinen Beruf liebe und ich weiß, dass ich eine ausgeglichenere Mutter bin, wenn ich diesen Teil auch in meinem Leben habe. Und zweitens, weil ich nicht wollte, dass mein Mann und ich irgendwann sagen müssten: »Das dritte und vierte Kind können wir uns nicht mehr leisten.« Den Gedanken fand ich schrecklich.
Sie arbeiten nur, um sich diese Familie leisten zu können?
Das ist zumindest eine Motivation. Ich habe mal an einer medizinischen Hochschule gearbeitet, und mein Chef fragte mich, was mein Antrieb sei. Ich sagte: »Der Lebensunterhalt für meine Kinder.« Der Chef war vollkommen konsterniert. Er hatte wohl gedacht, ich würde etwas sagen wie: »Weil mich die Forschung über das C-reaktive Protein beim vorzeitigen Blasensprung so fasziniert.«
Bei anderen Politikern geht es eher darum, das Privatleben an die Karriere anzupassen. Bei Ihnen ist es offenbar umgekehrt.
Ich arbeite, weil ich meinen Intellekt ausschöpfen will im Leben. Aber das ist nicht wichtiger als die Familie. Ich wäre keine bessere Mutter, wenn ich nicht arbeiten würde. Dann wäre ich, glaube ich, sehr dominant. Ich bin jetzt schon dominant genug. Ich habe selbst sehr starke Eltern gehabt und fand es immer gut, dass sie irgendwann den Überblickt verloren haben und wir uns in der Masse der Geschwister verstecken konnten. Starke Eltern sollten viele Kinder haben, das erschöpft sie.
Kann man seine Kinder auch zu viel lieben?
Bestimmt kann man seine Kinder auch erdrücken.
In China dürfen Eltern nur ein Kind haben. Bei den Aufnahmeprüfungen für die Hochschulen stehen die Kinder deshalb unter einem riesigen Erwartungsdruck. Ist es deshalb gut, viele Kinder zu haben?
Ja, meine Geschwister haben auch viele Kinder, ich habe also eine Menge Nichten und Neffen. In unserer Familie gibt es alles, von brillant bis Psychiatrie. Diese Erfahrung ist, glaube ich, für zu viel Erwartungshaltung ganz heilsam.
Kann man gar nicht so viel beeinflussen?
Es gibt doch die alte Weisheit: Kinder brauchen Liebe und Vorbild. Wenn man ihnen das nicht gibt, haben sie es sehr schwer. Aber wenn sie davon genug haben, gehen sie ihren Weg schon allein.
In der Öffentlichkeit treten Sie immer sehr jovial auf, sehr erklärend. Reden Sie mit Ihren Kindern ähnlich, oder sind Sie dort ganz anders?
Ich habe wohl eine gewisse pädagogische Ader. Das kann aber auch zu viel werden. Deshalb ist es für meine Kinder manchmal gut, dass ich den Überblick über die vielen verschiedenen Klassen verloren habe. Anfangs haben mein Mann und ich versucht, das Üben für Klassenarbeiten zu begleiten. Inzwischen sind die Kinder selbstständiger und kommen, wenn sie Hilfe brauchen. Bei uns gibt es eine stehende Regel: Wenn wir geübt haben, und es geht daneben, dann sagen wir uns: »Na ja, wir haben es wenigstens versucht.«
Legen Ihre Kinder Ihnen die Hausaufgaben vor, so wie Referenten ihre Entwürfe auf den Tisch der Ministerin?
Die Großen sind schon lange unabhängig, die Kleinen wollen noch Hilfe haben. Aber ich gehe nicht zu sehr ins Detail. Ob über der Hausaufgabe ein Datum steht, ist mir zum Beispiel wurscht. Es ist die Aufgabe der Lehrer, das zu kontrollieren.
Lernen Sie mit Ihren Kindern?
Nein. Spätestens mit etwa fünfzehn Jahren haben die Kinder gelernt, sich selbst zu organisieren. Manchmal werde ich gebeten: »Mama, kannst du mich mal Vokabeln abfragen?« Dann setze ich mich hin und frage die Vokabeln ab. Das kann ich noch gerade. Bei Mathe wird’s schon eng.
Gibt es eigentlich einen Unterschied zwischen der Liebe zu Kindern und der romantischen Liebe?
Aber natürlich! Das ist etwas völlig anderes.
Bei der Liebe zu Ihrem Mann können Sie wahrscheinlich sagen, warum Sie ihn lieben, welche Eigenschaften es sind, die dieses Gefühl auslösen.
Unsere Liebe ist in den gemeinsamen neunundzwanzig Jahren vielleicht nicht größer, aber tiefer geworden. Bei allen Höhen und Tiefen, die man als Eltern mit sieben Kindern so erlebt, konnten wir uns immer aufeinander verlassen. Aber darüber hinaus gibt es etwas, das ich nicht in Worte fassen will. Das gehört nur uns beiden.
Gab es manchmal Streit mit Ihrem
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