Gleichklang der Herzen
Marquis stand noch lange am Kamin und hing seinen Gedanken nach, ehe er zu Bett ging.
Während der Marquis nun, wie geplant, seine Pferde zu beachtlichem Tempo antrieb, war keine Zeit für eine Unterhaltung mit Romana.
Als er ihr einen Seitenblick zuwarf, sah er jedoch, dass sie ihm zulächelte, und er wusste, dass ihr die schnelle Fahrt gefiel.
Es gab nichts, was dem Marquis mehr Freude machte, als zu versuchen, einen Rekord zu brechen, selbst wenn es der eigene war. Eine Art Triumph erfüllte ihn, als er mit der Kutsche vor Sarne House vorfuhr und feststellte, dass er genau elf Minuten weniger gebraucht hatte als auf seiner letzten Fahrt.
Romana blickte auf seine Uhr, die sie während der ganzen Fahrt in der Hand gehalten hatte.
„Sie haben es geschafft! Sie haben es geschafft!“, rief sie. „Ich kann es gar nicht erwarten, morgen wieder zurückzufahren und Mister Barnham zu berichten, was uns gelungen ist.“
„Barnham ist nicht der Einzige, der daran interessiert sein wird. Ich habe gehört, dass die Stalljungen in Sarne Wetten darüber abgeschlossen haben, wie lange wir wohl brauchen würden.“
„Man sollte sie nicht dazu ermutigen, Wetten abzuschließen“, erklärte Romana ernst. Doch ihre Augen leuchteten dabei.
Mister Barnham hatte angeordnet, dass für sie ein frühes Abendessen bereit war, sodass der Marquis gleich darauf nach Baidock aufbrechen konnte.
„Sie werden den größten Teil der Strecke noch bei Tageslicht zurücklegen können, Mylord“, hatte Mister Barnham empfohlen. „Aber wenn Sie noch aufgehalten werden sollten, so macht das auch nichts. Wir haben Vollmond.“
Der Himmel war wolkenlos, und es war ein sehr warmer, sonniger Tag gewesen.
Nach dem Aufenthalt auf dem Lande wirkte London staubig und schmutzig. Trotz der prächtigen Ausstattung von Sarne House war Romana froh, dass sie am nächsten Tag aufs Land zurückkehren würden.
Mrs. Mayfield freute sich sehr, sie wiederzusehen.
„Sie sehen ganz anders aus als bei Ihrer Abreise, Mylady. Viel schöner, wenn ich mir erlauben darf, das zu sagen.“
„Danke“, sagte Romana lächelnd.
„Und von dem Mal auf Ihrer Wange ist nichts mehr zu sehen. Das ist gewiss sehr beruhigend, Mylady.“
Romana händigte ihr die Einkaufsliste aus.
„Wir beide müssen diese Sachen morgen kaufen, Mrs. Mayfield. Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass sie wirklich nötig sind. Aber Mrs. Hughes beharrt darauf, dass ich sie haben muss.“
„Dann gibt es deswegen keine Meinungsverschiedenheiten. Auch sind noch verschiedene Kleider angekommen. Sie warten darauf, dass Sie sie bei den Gesellschaften auf Sarne tragen werden, Mylady.“
„Ich kann nicht glauben, dass ich wirklich noch neue Kleider brauche.“
„Dann sind Sie anders als die meisten Damen, die nie genug Kleider haben können“, meinte Mrs. Mayfield.
Sie sprach mit einem leichten Unterton, dem Romana entnehmen konnte, dass sie die anderen Frauen meinte, für die sich der Marquis interessiert hatte.
Und plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie sich bisher nicht die geringsten Gedanken darüber gemacht hatte, was er von ihrem Äußeren halten würde. Und zum ersten Mal dachte sie darüber nach, ob er sie hübsch finden könnte.
Sie spürte, dass er sie nicht mehr hasste, wie am Anfang ihrer Begegnung. Aber er hatte ihr nie ein Kompliment gemacht. Lag das daran, dass sie nicht der Typ der Frau war, den er bewunderte?
Verglich er sie mit den anderen Frauen, für die er bisher Interesse gehabt hatte? Oder hatte er keinen Blick dafür, wie sie aussah oder welches Kleid sie trug?
Sie erinnerte sich daran, dass Mister Barnham erwähnt hatte, dass es sehr viele und sehr schöne Damen gab, die liebend gern mit dem Marquis verheiratet gewesen wären.
Romana nahm an, dass diese Damen aus der gehobenen Gesellschaft kamen. Vielleicht handelte es sich um die angebeteten Schönheiten, denen alle Herren von St. James zu Füßen lagen?
Aber wie kann ich mich mit solchen Damen vergleichen? fragte sich Romana traurig.
Sie betrachtete sich im Spiegel und fand, dass sie sehr elegant aussah. Man konnte in ihr kaum noch das unmodern und hässlich gekleidete Mädchen wiedererkennen, das von Little Hamble nach London gekommen war, um dort Arbeit zu suchen. Aber in den Augen des Marquis wirkte sie vielleicht noch immer wie ein Mädchen vom Lande.
„Wir werden noch viele neue Kleider kaufen, Mrs. Mayfield“, hörte sie sich laut sagen und überlegte verzweifelt, ob Kleider etwas ändern
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