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Gleitflug

Gleitflug

Titel: Gleitflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne-Gine Goemans
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mir haben Sie sich noch nicht gemeldet.«
    Sie stemmte die Hände in die Hüften und hob das Kinn. Im Saal war es mäuschenstill. Dolly sah fantastisch aus, wie sie da stand. Gieles vergaß den Vibrator.
    »Ich habe Sie noch nicht von Abfindungen sprechen hören. Sie tun so, als wären wir schon vom Erdboden verschwunden.«
    Nun hörte man ihr doch ihre Wut an. Gieles hoffte, sie würde nicht noch von ihrem toten Mann anfangen. Auch Liedje war aufgestanden. In ihrer Goldbluse glänzte sie wie die Oscar-Trophäe. Toon senior lächelte weiter den Bartmann und seine Assistenten an, die jetzt keine Notizen mehr machten, sondern die beiden Frauen anstarrten.
    »Das gilt auch für uns!«, rief Liedje. »Die gelbe Pyramide da, wo die Rollbahn eine Biegung macht, das ist unser Haus. Da wohne ich schon mein Leben lang. In dem Haus wurde ich geboren …« Sie griff unter ihre linke Achsel. Gieles dachte an die Schläuche und den Drainagebeutel.
    Hoffentlich zerquetscht sie ihn nicht .
    »Meine Damen, bitte!«
    »Ihr habt hier schon alles kaputtgemacht mit eurer Scheißbahn. Fast alle sind weg. Und jetzt wollt ihr auch noch die letzten Häuser unter Pyramiden begraben und …«
    »Bitte lassen Sie mich …«
    »Nicht für eine Million! Da bleib ich, solang ich lebe!«
    Entnervt hob der Bartmann die Hand. »Bitte!«
    Auch seine Assistenten hoben beschwörend die Hände.
    »In Kürze werden wir Sie alle persönlich ansprechen …«
    »Das Ansprechen können Sie sich sparen!«, rief Liedje und presste wütend die Stelle unter ihrer Achsel.
    Dolly sagte nichts; sie wirkte zufrieden und setzte sich wieder hin. Gieles wusste, dass sie lieber heute als morgen wegziehen würde.
    »Lassen Sie uns nach der Versammlung kurz darüber sprechen. Bitte nehmen Sie nun wieder Platz. Bitte.«
    Toon senior zog Liedje sanft an der Hand, während er den Flughafenleuten freundlich zunickte.
    Der Bartmann seufzte lautstark durchs Mikro. Es klang wie ein Sturm. Als er schon zu glauben schien, er habe die Situation wieder unter Kontrolle, war von ganz hinten eine Stimme zu hören. Eine angenehme Stimme. Die Stimme sagte: »Die glücklichsten Menschen auf diesem Planeten haben keine asphaltierten Straßen. Die glücklichsten Menschen auf diesem Planeten haben auch keine Startbahnen vor ihrer Haustür.«
    »Bitte?«, fragte der Bartmann entgeistert. Er spähte angestrengt nach dem Besitzer der Stimme, aber niemand im Publikum war aufgestanden.
    »Das geht aus dem Happy Planet Index hervor. Er beschreibt die Lebenszufriedenheit der Menschen und worauf sie beruht, und man kann sehen, wo die glücklichsten Menschen leben. Ich darf Ihnen versichern, dass sie nicht hier bei uns leben.«
    Einer der Männer am Tisch rief ohne Mikrofon: »Wir haben doch nun oft genug gesagt, dass Sie nach der Pause Fragen stellen können! Nach der Pause!«
    »Ich habe keine Fragen«, erwiderte die Stimme. »Ich wollte Sie nur auf diese Aspekte aufmerksam machen. Möglicherweise kennen Sie ja den genannten Index nicht. Möglicherweise kennen Sie auch den Begriff Bruttonationalglück nicht. Glauben Sie mir, das Bruttonationalglück ist durch ganz andere Werte als Ihre eigenen definiert. Nun haben Sie all die großartigen Untersuchungen angestellt und dabei vielleicht ausgerechnet diese Studien übersehen. Das wäre doch schade.«
    Willem Slob lachte auf. Ein paar Leute begannen zu klatschen, und dann war der Teufel los. Die Stimme bekam donnernden Applaus.
    »Fahr zum Teufel mit deinen Fakten !«, riefen mehrere Leute dem Bartmann zu. Gieles strahlte. Er stellte sich vor, wie Super Waling sich auf seinem Elektrokarren ganz hinten im Saal versteckt hatte. In einem seiner unmöglichen Jogginganzüge und bewaffnet mit einem Notizbuch und seiner komischen Leinentasche.
    »Ich kenne den Mann«, sagte er stolz zu seinem Vater. Der beugte sich zu ihm hin. »Ich kenne den Mann«, wiederholte Gieles nah an Willems Ohr. »Das ist Waling Cittersen van Boven.«
    Nach der Versammlung, als der Saal sich leerte, stellte Gieles seinen Vater Super Waling vor. Die Männer gaben sich dieHand. Willem Slob ließ sich keine Verblüffung über Walings Fleischmasse anmerken.
    »Du hast einen großartigen Sohn. Wirklich großartig«, sagte Super Waling. »Gieles hat mich gerettet, als mein Elektrokarren mich wieder einmal im Stich ließ.«
    Diese Bemerkung war verantwortlich dafür, dass Gieles noch stundenlang nachglühte wie Holzkohle in einem Grill.

19
    Mein Brief für Sie wächst gewaltig. Manche

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