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Glennkill: Ein Schafskrimmi

Glennkill: Ein Schafskrimmi

Titel: Glennkill: Ein Schafskrimmi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Swann
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gut ist.«
    Noch einmal verteilte Melmoth Aufgaben.
    Sara, Cloud und Maude sollten sich in den tiefschwarzen Schatten unter dem Krähenbaum stellen und den Vögeln bei ihren Nachtgedanken zuhören. Ramses, Lane und Cordelia mussten zu dem Loch unter der Kiefer und auf das kalte Meer in der Tiefe horchen, wie es Drohungen gegen die Klippen murmelte. Zora sollte in den Himmel starren und sich vorstellen, es ginge nicht nach oben, sondern nach unten in einen himmelweiten Abgrund. Heide sollte alleine im Heuschuppen bleiben und das Schweigen in den Ecken und Winkeln auswittern.
    Und Othello, Maple und Mopple sollten ins Dorf gehen, dort den Metzger suchen und ihn so lange beobachten, bis sie keine Angst mehr vor ihm hatten.
     
    *
    Es nieselte noch immer. Wassertropfen perlten die Fensterscheibe hinunter. In jedem von ihnen war ein zitternder Funke Licht aus dem Raum jenseits der Scheibe gefangen.
    Miss Maple, Mopple und Othello spähten zwischen den Tropfen hindurch. Drinnen saßen sich Gott und der Metzger an einem Tisch gegenüber. Zwischen ihnen standen eine braune Flasche und zwei Gläser mit goldener Flüssigkeit.
    Ham hatte das Kinn in seine großen Metzgerspranken gestützt und stierte Gott an.
    Gott tunkte seine Nase in das Glas mit der Flüssigkeit.
    »Alles nur Eitelkeit«, sagte er, » weibliche Eitelkeit. Da färben sie sich ihre Haare und ziehen diese engen Sachen an, und dann soll man immer dran vorbeisehen. Es ist nicht gerecht.«
    »Kate färbt nicht«, sagte Ham. »Alles Natur, und so eine Farbe.«
    »Nicht gerecht«, sagte Gott. »Und mir geht es so schlecht dabei. Seelenqualen. Verstehst du, es geht mir schlecht dabei.«
    »Hör mal«, sagte der Metzger, »wenn ich mit dir trinke, dann kannst du dir vorstellen, wie dreckig es mir gehen muss.«
    Gott nickte verständnisvoll. »Glaubst du vielleicht, ich mag dich? Seit Jahren machst du mir das Leben zur Hölle, und alles wegen dieser …« Er schüttelte traurig den Kopf.
    »Aber ich muss es irgendjemandem erzählen«, sagte der Metzger, »sonst werd ich noch verrückt.« Seine Stimme klang seltsam dick und träge. Vielleicht lag es auch nur an der Glasscheibe.
    »Wenn George noch leben würde, wäre ich zu ihm gegangen. George konnte den Mund halten, das muss man ihm lassen. Viel genützt hat es ihm am Ende nicht, armer Teufel. Und du, mein Lieber, du wirst den Mund halten, ob du willst oder nicht.«
    Der Langnasige lächelte gequält. »Mein schwaches Fleisch. Weißt du, was es heißt, den Leuten Tag für Tag vom Himmel zu erzählen und selbst genau zu wissen, dass man schon da unten in der Hölle erwartet wird? Ach was, erwartet! Zu mir kommen sie persönlich. «
    »Ja glaubst du, ich bin von allein von den Klippen gefallen? He? Einfach so? Der alte Ham wird eben ein bisschen zittrig?«
    Ham sah Gott wütend an.
    Der schien eine andere Reaktion erwartet zu haben. Einen Moment lang fixierten seine Augen den Metzger. Dann nickte er mehrmals und übertrieben heftig mit dem Kopf und sah dabei wie ein riesiger Truthahn aus.
    »Direkt aus der Hölle. Und sie sind fürchterlich. Heulen und Zähneklappern in alle Ewigkeit, und alles wegen des verdammten Fleisches.«
    Maple und Mopple sahen sich an. Anscheinend hatte der Langnasige verstanden, was es mit dem Beruf des Metzgers auf sich hatte. Der Metzger selbst blieb davon natürlich unbeeindruckt.
    »Ich meine, es sind doch bloß Schafe«, sagte er. »Ich hätte doch nie ein Pferd geschlachtet. Oder einen Esel. Ein Esel hat ein Kreuz auf dem Rücken. Im Fell. Hat am Palmsonntag den Herrn getragen. Das ist ein Zeichen. Aber Schafe? Die sind doch dazu da. Werden dafür gezüchtet und alles. Da muss man kein schlechtes Gewissen haben, habe ich gedacht. Ein sauberer Tod, und dann ab in die Auslage. So einfach war das. Aber dann, dann …« Hams Wurstfinger klopften einen wilden Rhythmus auf den Tisch.
    Gott schwieg. An seiner Nase hing ein kleiner klarer Tropfen und zitterte wie Tau im Wind. Hams Finger hörten auf zu trommeln. Einen Moment lang war es so still, dass die Schafe den Regen auf dem Fenstersims hören konnten, zart und nervös wie Mäusefüße. Dann griff Ham nach der Flasche und schenkte sein Glas randvoll mit goldener Flüssigkeit. Die Flasche gluckste. Ham schüttelte den Kopf.
    »George«, sagte er, »der war anders. Hat ihnen Namen gegeben. Komische Namen. Hat mit ihnen gesprochen. Kam ja sonst mit niemandem zurecht. Einmal kam er zu mir und hat gesagt: ›Melmoth ist weg. Den dritten Tag.

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