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Glenraven

Glenraven

Titel: Glenraven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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mir… « scheißegal, wollte Jay eigentlich sagen, aber dieselbe eindringliche Stimme, die sie bereits durch die halbe Welt bis nach Glenraven gezogen hatte, hinderte sie daran. Nehmt die Pferde, drängte die Stimme. Ihr wollt keine Fahrräder. Nicht hier. Nicht jetzt. Jay hielt verwirrt inne. Als sie zu Sophie hinübersah, bemerkte sie bei ihrer Freundin den gleichen ratlosen Gesichtsausdruck.
    Einen Augenblick später erschienen die beiden Männer wieder. Sie hatten vier gutaussehende Pferde dabei. Zwei waren zum Reiten gesattelt, die beiden anderen waren Packpferde. Es waren gute, kräftige Tiere mit geraden Beinen, gesundem Rücken und starken Muskeln. Jedes trug ein deutlich sichtbares Brandzeichen - ein schwungvoller Schnörkel mit einem umgedrehten V in der Mitte und zwei Punkten an dessen Enden.
    »Reikstor schließt bei Sonnenuntergang. Danach… «, der alte Mann starrte sie an, »… ihr sitzt in Wald bis morgen; ihr morgen noch leben, dann vielleicht euch läßt jemand rein. Jetzt… « Er deutete mit dem Finger auf die Tiere. »Pferde dort. Ihr nehmen.«
    Jay begann nach ihrer Brieftasche zu suchen. »Wollen Sie unsere Pässe sehen? Wir hatten auch Passierscheine, aber sie… nun, Sie haben ja selbst gesehen, was geschehen ist.«
    Der Alte blickte sie mit leeren Augen an. Jayjay empfand den offensichtlichen Mangel an Bürokratie als äußerst beunruhigend.
    »Ich habe eine Quittung, die belegt, daß ich für die Visa bezahlt habe. Die wollen Sie doch wenigstens sehen, oder nicht?« Sie dachte: Willst du wirklich überhaupt keine Papiere sehen, du verrückter kleiner Mann?
    Doch der Alte schüttelte vehement den Kopf. »Ihr nicht die Richtigen, ihr nicht hier. Nehmt Pferde und geht. Geht. Ihr euch beeilen.«
    Jayjay blickte ihn an. Die Furcht, die aus seinen Worten klang, beunruhigte sie. »Warum müssen wir uns beeilen?«
    Die Augen des alten Mannes verrieten ihr, daß sie den Grund eigentlich gar nicht wissen wollte.
    »Nacht kommt«, sagte er, als würde das alles erklären.
    Doch Jay wartete und beobachtete den Alten. Das war mit Sicherheit nicht der einzige Grund für sein Drängen zur Eile. Schließlich war das Hereinbrechen der Nacht ein alltägliches Ereignis.
    Er drehte sich wieder um, und als er die Frauen noch immer da stehen sah, erschien auf seinem Gesicht ein Ausdruck höchster Verzweiflung. »Stadttore schließen nachts. Wenn ihr nicht an Tor vor Nacht, dann schlafen in Wald.«
    »Oh.« Jayjay wandte sich an Sophie. »Ich glaube, es wäre wirklich besser, wenn wir uns beeilen.«
    Jay suchte sich zwei Pferde aus, einen Porzellanschecken und einen feingliedrigen braunen Wallach. Sie verstaute ihre Ausrüstung auf dem Packsattel der Stute und stieg auf den Wallach. Sie fühlte sich irgendwie unbehaglich. Wo zum Teufel steckte Lestovru? Der Alte hatte nicht mit ihm gesprochen oder es zumindest nicht zugeben wollen. Jay hatte kein Telefon gesehen - auch keine Telefonkabel, keine Strommasten oder sonst irgend etwas, das eine schnelle Kommunikation ermöglicht hätte. Jay hatte noch nicht einmal Rauchsignale bemerkt. Wenn Lestovru seinen Freunden eine Nachricht gesandt hatte - wie hatte er das angestellt?
    Was hatte es mit den Pferden auf sich?
    Was war mit ihren Fahrrädern?
    Und warum hatte der alte Mann eine derartige Furcht vor der Dunkelheit?
    Sophie beendete gerade die Überprüfung ihrer Ausrüstung - Hafer, Hufkratzer, Seile und anderes Zubehör. Sie blickte zu Jay. »Wer auch immer die Pferde ausgestattet hat, er hat gute Arbeit geleistet. Trotzdem… warum durften wir nicht unsere Fahrräder behalten?«
    Jay betrachtete ihre Freundin. Sie bezweifelte, daß Sophie seit dem Unfall noch einmal auf einem Pferd gesessen hatte, und der Gedanke ans Reiten schien sie nicht sonderlich zu erfreuen. Jay konnte Sophie gut verstehen. »Ich weiß es nicht«, seufzte sie. »Irgendeinen Grund wird es schon geben.«
    Sophie schwang sich elegant in den Sattel. »Ich glaube, wir sollten uns auf den Weg machen.«
    »Ich weiß. Ich fühle mich, als müßte ich ein Rennen gegen die Uhr laufen.« Jayjay ritt voraus. Das Geschehen vor dem Tor hatte sie stark beunruhigt - ebenso wie ihr seltsamer, ungewohnter Fatalismus. Die Burschen waren einfach mit ihren Fahrrädern verschwunden, verdammt - aber sie konnte sich noch nicht einmal richtig darüber aufregen.
    Was war nur los mit ihr?
     
     
    Langsam entfernten sich die Frauen von der Hütte und ritten die Straße hinunter mitten auf eine große Lichtung. Das

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