Gletschergrab
laut.«
»Da spricht der Waffenexperte aus dir.«
»Wenn ich jetzt mal weiter spekuliere«, sagte der ältere Beamte und ließ sich durch die spöttische Bemerkung seines Kollegen nicht aus der Ruhe bringen. »Wenn du dich umbringen wolltest, würdest du dann zuerst einen Schuss auf die Tür abgeben?«
»Lass mal sehen, die Tür stand offen, er wollte sich in die Schläfe schießen, hat aber nicht getroffen, und die Kugel ist in der Tür stecken geblieben. Dann hat er mitten auf seine Stirn gezielt, um ganz sicher zu treffen. Könnte es vielleicht so gewesen sein?«
»Er hat sich also erschossen, während die Tür zur Wohnung offen stand?«
»Sieht so aus.«
»Das ist einer der idiotischsten Selbstmorde, die ich in meinem ganzen Leben gesehen habe. Warum sollte der Mann sich hier erschießen? War er mit dieser Kristín zusammen?«
»Das dürfte Kristín wohl besser wissen als ich.«
»Wir müssen wohl in Radio, Fernsehen und Zeitung nach ihr fahnden lassen. Aber wir sagen noch nichts davon, dass sie des Mordes verdächtigt wird, nur dass wir mit ihr über diese unschöne Angelegenheit in ihrer Wohnung reden müssen.«
»Kann es sein, dass eine Juristin aus dem Ministerium diesen Mann ermordet hat?«
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»Wenn ich jemanden umbringen würde, dann bestimmt einen Importeur«, sagte der ältere Kriminalbeamte und befasste sich noch einmal gründlich mit dem Loch auf der Stirn des Mannes.
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Es bereitete ihnen keine Schwierigkeiten, Arnolds Anweisungen zu folgen. Bevor sie sich im Büro von ihm verabschiedeten, hatte er Steve gesagt, wie sie aus der Basis herauskommen konnten, ohne den Checkpoint zu passieren oder über die Einfriedung zu klettern, die die Basis von Keflavík abgrenzte.
Kristín wusste nicht, was Steve bei Arnold guthatte, aber es konnte keine Kleinigkeit sein. Sie versuchte, sich nicht allzu viele Gedanken darüber zu machen.
Von Thompsons Wohnung aus gingen sie in westlicher Richtung zu dem Teil des Stützpunkts, der vom Flughafengelände und dem internationalen Terminal abgewandt lag. Sie bemerkten, dass sich die Anzahl der Militärfahrzeuge in der Zwischenzeit drastisch erhöht hatte. Die Militärpolizei hatte überall auf dem Gelände Straßensperren errichtet, und der Zaun in Richtung Keflavík wurde jetzt von einer langen Reihe Soldaten bewacht. Im Süden und Westen grenzte der Stützpunkt ans Meer. Sie hielten sich abseits der öffentlichen Wege, suchten Schutz in der Dunkelheit, schlichen sich rasch von Haus zu Haus, bis die Siedlung hinter ihnen lag und sich bis zum Meer nur noch Lava und Schnee vor ihnen erstreckten.
Sie kamen schnell voran. Die Nacht war wolkenlos, der Himmel sternenklar, und der Mond wies ihnen den Weg. Sie fanden das Schlauchboot sofort, denn Arnold hatte ihnen die Stelle genau beschrieben. Jetzt mussten sie nur noch entlang der Küste nach Süden steuern, bis sie Hafnir, den nächsten kleinen Hafenort, erreichten. Dort konnten sie das Boot zurücklassen und versuchen, ein Auto anzuhalten, das sie nach Reykjavik bringen würde. Der leise Außenbordmotor mit zwanzig PS
sprang an, und Steve steuerte aufs Meer hinaus. Kristín hatte das Gefühl, dass er das Boot schon früher einmal benutzt hatte, wies 146
den Gedanken aber von sich. Eine Viertelstunde später ließen sie das Boot in Hafnir zurück. Solange sie auf dem Wasser waren, hatten sie nicht miteinander gesprochen.
»Wird das Dope auf diese Weise geschmuggelt?«, fragte Kristín schließlich, als Steve das Schlauchboot festmachte.
»Ich habe keine Ahnung«, sagte er, und damit war das Thema beendet.
Von Hafnir aus liefen sie nach Norden zur Hauptstraße nach Reykjavik. Am Horizont sahen sie, wie die Lichter von Keflavík und Njarðvík die schwarze Nacht in einen rötlichen Schimmer tauchten. Nachdem sie eine Dreiviertelstunde an der Straße entlanggelaufen waren, bemerkten sie hinter sich Scheinwerfer in der Dunkelheit. Das Auto verlangsamte sich, als es näher kam, und hielt schließlich neben ihnen an. Es war ein Bäcker auf dem Weg nach Keflavík, der ihnen anbot, sie bis zur Hauptstraße nach Reykjavik mitzunehmen. Dort brauchten sie nicht lange, um ein Auto in die Hauptstadt anzuhalten.
Nirgendwo begegneten sie den Mormonen.
Michael Thompson hatte ihnen die Adresse von Sarah Steinkamp in Reykjavik gegeben. Sie war die Witwe von Leo Stiller, und Thompson hatte gesagt, dass sie von ihr vielleicht etwas darüber erfahren könnten, was Stiller von dem Flugzeug auf dem Gletscher gehalten
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