Glitzerbarbie
Waffenschein.
Auf mein »Das war doch wirklich nur ein Witz«, meint er, das hätte die Baader-Meinhof-Bande damals auch gesagt.
Ich sage dann besser nichts mehr.
Gegen 20 Uhr bin ich zu Hause und fertig mit den Nerven.
Marius reißt die Tür auf, bevor ich den Schlüssel im Schloss stecken habe. Er schäumt vor Wut. Ich erschrecke.
»Sag mal, Caro, spinnst du oder was?«
»Wieso, was ist denn?«
Marius hüpft vor mir auf und ab wie ein Hampelmann. »Ich komme um sechs nach Hause, und du bist nicht da, und dann klingelt hier pausenlos das Telefon, und alle wollen wissen, ob es dir denn gut geht und ob die Geiselnahme dich stark mitgenommen hat und ob du vielleicht doch besser nochmal einen Tag zur Beobachtung ins Krankenhaus gehen sollst, und ich stehe hier WIE DER LETZTE DEPP UND WEISS VON NICHTS ! NICHTS ! NICHTS ! KANNST DU MIR BITTE SAGEN , UM WELCHE GEISELNAHME ES SICH HANDELT ?«
»Warum hast du mich denn nicht angerufen?«, frage ich schuldbewusst.
Marius fährt sich durch die Haare. Er ist rot im Gesicht. »Weil dein verdammtes Handy immer noch in der Redaktion liegt und jeder, der bei euch arbeitet, drangegangen ist, nur DU NICHT !!!« Stimmt, hab es gar nicht mit auf die Außenreportage genommen. Hoffentlich haben Jo oder Bernd es an sich genommen. »Dann mache ich den Fernseher an und sehe dich auf irgendeinem Balkon stehen und rumfuchteln, und irgendjemand hält dir eine Knarre an den Kopf. Mir reicht es langsam! Wie viel bedeute ich dir eigentlich, dass du es nicht mal für nötig hältst, mich nach so einer Geschichte anzurufen?«
Er hat ja Recht. Er hat Recht. Unbestritten. Aber was soll ich denn jetzt machen?
»Ich war mit Margot ein Brautkleid kaufen. Besser gesagt, Knickerbocker und einen Hut mit Gamsbart«, versuche ich mich zu rechtfertigen. »Hättest du Pitbull angerufen, wüsstest du es.« Marius fährt herum. »Du glaubst also, ich hätte nicht überall angerufen und nach dir gefragt?«, giftet er. »Ich habe nur leider Pitbull nicht erreicht. Dafür Gero. Und den kannst DU jetzt anrufen. Er ist fix und fertig. Er denkt, du bist TOT !«
»Du hast WAS ?«, schreit Gero mich an. Gute Güte, habe ich ein schlechtes Gewissen. »Wir sitzen hier und rechnen mit dem Schlimmsten, und du hast nichts Besseres zu tun, als Wandersocken zu kaufen? Ich fasse es nicht. Der arme Marius hat hier ungefähr zwanzigmal angerufen. Niemand wusste, wo du nach diesem entsetzlichen Drama abgeblieben bist. Niemand. Noch nicht mal die im Sender. Wir dachten, du hättest dir was angetan oder einer aus der JVA wäre geflüchtet und mit dir schon auf dem Weg nach Tschechien oder so. Wir haben angenommen, du wärst unter Drogen gesetzt worden und müsstest den Rest deines Lebens in einem runtergekommenen Puff arbeiten! Aber du warst WANDERSOCKEN KAUFEN !«
»Das nächste Mal rufe ich an«, verspreche ich klagend.
»Willst du mir damit sagen, dass du vorhast, solche Szenarien in Zukunft regelmäßig zu starten?«, fragt mich Gero böse.
»Natürlich nicht«, versichere ich schnell.
»Wundern würde es, glaube ich, keinen mehr«, Gero wird ruhiger, ein Glück.
Ich lege dann irgendwann auf. Marius hat sich auch beruhigt, glaube ich. Er ist in der Küche und räumt die Spülmaschine aus. Hilflos bleibe ich hinter ihm stehen. Er dreht sich nicht um, aber ich sehe, dass seine Schultern zucken. Ich umarme ihn von hinten, er dreht sich um, und ich sehe, dass er fast heult. »Mach so was nie wieder, Caro, nie wieder, hörst du. Ich hatte solche Angst!« Und dann umarmt er mich und hält mich ganz fest.
Ich mag ja Männer, die weinen, nicht so sehr. Ich fühle mich dann immer verpflichtet, mich um sie zu kümmern.
Was ist bloß los mit mir? Warum stört mich mal was an Marius, und dann finde ich wiederum alles toll? Kann nicht sagen, was das für ein ungutes Gefühl ist, das von mir Besitz ergriffen hat.
9
Ich schlafe kaum in dieser Nacht. Vielleicht, weil Vollmond ist, vielleicht aber auch, weil ich dauernd an meinem Vorhaben mit der Talkshow zweifle. Andererseits: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Hat meine Oma immer gesagt. Im Halbschlaf sehe ich Wandersocken, die sich auflösen, und Fußabtreter, aus denen Gnome springen und mich anfallen, während sie »Welcome!« rufen. Dann kommt Margot und zwingt mich, mit ihr über einen Gebirgsbach zu laufen. Auf der Holzbrücke, die glitschig ist, rutsche ich aus und kann mich mit letzter Kraft an einer Planke festhalten. Roland Dunkel steht plötzlich auch auf
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