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Glockengeläut

Glockengeläut

Titel: Glockengeläut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Aickman
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jedoch keine dahingehende Bitte geäußert - nicht, weil er sich nicht getraut hätte, sondern weil ihm so viel doch nicht daran zu liegen schien. Zu Hause hatte er sie nie erwähnt. Es bestand also keine Möglichkeit, bis zu seiner verspäteten Rückkehr in die Schule etwas über sie in Erfahrung zu bringen.

    Als es endlich soweit war, brachte ihn am ersten Tag der dralle Teenager zur Schule, vermutlich, damit er nicht am Straßenrand in Ohnmacht fiele oder gar gen Himmel entschwinde. Sein Herz war schwer und verwirrt, als sie sich auf den Weg machten, und Eileen hatte ohnehin ihre Probleme, mit einem Jungen wie Hilary ein Gespräch zu führen. Er war erleichtert, als sie, sobald sie vor der Schule angekommen waren, nichts besseres zu tun zu haben schien, als sich schleunigst davonzumachen.
    Die Schulleiterin (falls man sie so nennen möchte), die zudem Teileignerin der Anstalt war, eine nette Dame von sechsunddreißig Jahren, erwartete Hilary nach seiner Krankheit höchstpersönlich und begrüßte ihn freundlich und verständnisvoll. Auch die anderen Kinder legten ihm gegenüber ein neues Interesse an den Tag, wenn sich diese Neugier bei den meisten auch nur schwach äußerte. Ein kleines Mädchen allerdings, mit zwei stramm geflochtenen Zöpfen und einem Baumwollkleidchen mit aufgedruckten Astern und Sonnenblumen, schien sich ernsthaft um Hilarys Mißgeschick zu sorgen. Ihr Name war Valerie Watkinson.
    »Wo ist Mary?« fragte Hilary.
    »Mary ist tot«, erklärte Valerie Watkinson feierlich.
    Hilarys erste Reaktion war nichts als Abwehr. »Das glaub’ ich nicht«, sagte er feindselig.
    Valerie Watkinson nickte drei oder vier Mal, diesmal noch feierlicher.
    Hilary packte ihre Arme oberhalb des Ellbogens und umklammerte sie fest. »Das glaub’ ich nicht«, wiederholte er.
    Valerie Watkinson begann zu weinen. »Du tust mir weh!«
    Hilary ließ seine Hände sinken. Valerie bewegte sich nicht, noch beklagte sie sich ein zweites Mal. Lange Zeit standen sie sich schweigend gegenüber, während Valerie leise vor sich hinweinte.
    »Ist das wahr?« fragte Hilary schließlich.
    Valerie nickte wieder hinter ihrem kleinen Taschentuch, in dessen einer Ecke ein Schweizer Almmädel in Rosa und Hellblau zu sehen war. »Du bist ganz blaß«, schluchzte sie durch das Taschentuch.
    Sie streckte ihm ihre kleine feuchte Hand entgegen. »Armer Hilary. Mary war deine Freundin. Es tut mir so leid für dich, Hilary.«
    »Mußte sie mit Fieber im Bett liegen?« wollte Hilary wissen. Er war mit der Vorstellung des Todes weitaus vertrauter als andere Kinder seines Alters, wußte er doch genau, daß er selbst erst vor kurzem, wie sie alle behaupteten, ›nur knapp dem Tode entronnen‹ war.
    Diesmal schüttelte Valerie verneinend ihren Kopf, wenn auch mit der gleichen Feierlichkeit. »Nein«, erklärte sie. »Ich glaub’ nicht. Aber es ist alles ein großes Geheimnis. Sie haben uns nicht richtig gesagt, daß sie tot ist. Wir dachten, daß sie krank wäre, wie du. Dann hat Sandy etwas in der Zeitung gesehen.« Sandy Stainer war ein dicker, wabbeliger Junge mit leicht rötlichem Haar.
    »Was hat er gesehen?«
    »Etwas Häßliches«, sagte Valerie mit Entschiedenheit. »Ich weiß nicht, was es war. Wir dürfen es nicht wissen.«
    »Aber Sandy weiß es.«
    »Ja«, sagte Valerie.
    »Hat er denn nichts erzählt?«
    »Sie haben ihm verboten, etwas zu erzählen. Er mußte zu Miss Milland kommen.«
    »Willst du es denn nicht wissen?«
    »Nein, will ich nicht«, erklärte Valerie mit größtmöglicher Bestimmtheit. »Meine Mami sagt, es reicht, wenn wir wissen, daß die arme Mary tot ist. Sie sagt, das ist das Wichtigste.«
    Für Hilary war das in der Tat das Wichtigste. An seinem ersten Schultag sah er sehr blaß aus und sprach kein einziges Wort, außer wenn Miss Milland oder Mrs. Everson sich direkt an ihn wandten; beide Erzieherinnen waren sich am Ende des Schultags darüber einig, daß man Hilary Brigstock zu früh wieder nach Briarside geschickt hatte. Sie hatten Erfahrung damit: Die Kinder waren entweder notorische Schulschwänzer oder aber benötigten offensichtlich mehr Fürsorge und Aufmerksamkeit, als man ihnen zu Hause zuteil werden ließ. Daß letztere fehlende Zuwendung sogar in einer so professionellen und unpersönlichen Einrichtung wie Briarside suchten, mochte erstaunen, doch Mrs. Cartier, die bisweilen hereinschaute, um sie die Grundbegriffe des Französischen zu lehren (und die übrigens überzeugte Maoistin war), behauptete zu

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