Glockengeläut
überlegte.
»Sie ist eine dumme Kuh«, erklärte Eileen beiläufig.
Hilary hatte beide Hände in die Laken gekrallt. »Weißt du, was mit Mary passiert ist?« fragte er, wobei er so weit wie möglich von Eileen wegblickte.
»Nicht genau. Man hat sich an ihr vergangen, hat sie übel zugerichtet. Über und über von Bißwunden bedeckt, sagt man, armes kleines Ding. Aber es ist alles säuberlich vertuscht worden, und du vergißt die ganze Sache am besten schnell wieder. Mehr bleibt dir wohl auch nicht übrig, oder?«
Nachdem er die schwierigeren Jahre des Zweiten Weltkriegs in Briarside und Gorselands verbracht hatte, wurde Hilary schließlich ebenfalls nach Wellington geschickt. Sein Vater hielt das angesichts der neuen Zeiten, die jedem Einschränkungen abverlangten, für angebrachter. Unterdessen hatten Hilarys Brüder Roger und Gilbert die Schule natürlich längst verlassen, auch wenn keiner von ihnen danach die Universität besuchte. Es bestehe keine Notwendigkeit dazu, hatten sie beide beschlossen, und ihrem Vater war es nicht schwergefallen, ihrem Entschluß zuzustimmen. Er selbst war zwar auf eine Universität gegangen, aber er hielt diese Jahre eher für einen nicht besonders gelungenen Scherz.
Trotz der periodisch auftretenden Verbindung zu Wellington waren sie eigentlich nie eine ausgesprochene Soldatenfamilie gewesen, und so nahm Mr. Brigstock denn auch mit Erstaunen zur Kenntnis, daß sein jüngster Sohn in der Armee Karriere zu machen gedachte, was um so mehr verwunderte, da der Krieg noch nicht lange beendet war. Hilary selbst war, wie wir wissen, durchaus kein Muttersöhnchen, und zweifellos hatte ihn das Ethos von Wellington nicht unbeeindruckt gelassen. Die Annahme, eine jede Offiziersmesse rekrutiere sich ausschließlich aus gutbetuchten Draufgängern, beruht ohnehin auf einem Irrtum. Es gibt ebenso viele (und daher naturgemäß ebenso wenige) empfindsame Menschen in der Armee wie an jedem anderen Ort; und manche davon finden ihren Weg dorthin, gerade weil sie empfindsam sind.
Zur weiteren Verwirrung trägt der Umstand bei, daß sich die Empfindsamen unter den weniger Sensiblen oftmals besonders wohl zu fühlen scheinen. Unter seinen Freunden auf der Offiziersschule befand sich ein junger Mann mit Namen Callcutt, ein unübersehbar extrovertierter und äußerst verläßlicher Bursche. Eines Tages nahm Hilary Brigstock während ihres gemeinsamen Urlaubs Callcutt mit zu sich nach Hause.
Selbst in jener Zeit sprach er Einladungen dieser Art nicht eben häufig aus. Die Atmosphäre in seinem Elternhaus weckte in ihm immer noch unangenehme Erinnerungen an seine Kindheit. Ohne Übertreibung konnte man behaupten, daß er so selten wie möglich zu Hause erschien. Doch mittlerweile waren sowohl Roger als auch Gilbert verheiratet und besaßen ein eigenes Heim, wie sie nie zu erwähnen vergaßen, so daß Hilary seinerseits beginnende Gewissensbisse angesichts der Tatsache befürchtete, daß sein Vater allein dort lebte und sich wahrscheinlich einsam fühlte. Alleinlebende Menschen um die Sechzig müssen, so zumindest lautet das Urteil der Allgemeinheit, ganz einfach einsam sein. Anders als die meisten Söhne wünschte Hilary daher aufrichtig, daß sein Vater noch einmal heiratete, wie man das von jemandem in seiner Lage erwartete, und daß seine Ansichten in bezug auf Frauen etwas von ihrer Unumstößlichkeit eingebüßt hätten.
Und tatsächlich herrschte unendliche Langeweile in seinem Elternhaus. Als er mit Callcutt dort festsaß, erkannte Hilary glasklar, so als betrachte er ein äußerst sorgfältig ausgeführtes Bild, wie durch und durch öde sein Zuhause in jeder erdenklichen Hinsicht war.
Aus Langeweile werden mehr Geheimnisse verraten, mehr Vertraulichkeiten ausgetauscht als aus irgendeinem anderen Grund; dies mag vielleicht der Erleichterung dessen dienen, der sich offenbart.
»Mir gefällt es hier«, sagte Callcutt eines Tages nach dem Mittagessen, nachdem Mr. Brigstock nach oben gegangen war, um dort wie üblich den Nachmittag zu verbringen.
»Das freut mich«, entgegnete Hilary. »Was genau gefällt dir denn hier?«
»Die Ruhe«, erwiderte Callcutt prompt. »Ich finde, daß ein Zuhause ein Platz sein sollte, an dem man ... nun, an dem man Ruhe tanken kann. Du bist ein Glückspilz.«
»Ja«, stimmte ihm Hilary zu, »still ist es hier wirklich. Heutzutage jedenfalls. Als meine beiden älteren Brüder noch hier lebten, war es alles andere als still.«
»Was, sagtest du, machen sie
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