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Glockengeläut

Glockengeläut

Titel: Glockengeläut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Aickman
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nicht zwanzig Jahre alt.« Ganz sicher war er sich dessen jedoch nicht.
    »Der hier schon.«
    Doch nun hatte der Hund begonnen anzuschlagen, dumpf und knurrend, obwohl er auch jetzt, wie damals an jenem weit zurückliegenden Tag, nicht bis ans Tor kam und auch nicht versuchte, sie direkt anzugreifen. Hätte man von der Tatsache, daß er sie zwei Minuten früher scheinbar nicht gesehen hatte, auf fortgeschrittenes Alter schließen können, so war an dem geifernden, beinahe tollwütigen Angriff nun nichts auch nur entfernt Seniles mehr. Das galt in womöglich noch höherem Maße für die Berechnung, mit welcher er seinen Standort ausgewählt hatte, was auch immer der Grund dafür sein mochte. Er hielt die Stellung, eine formlose, schwefelgelbe Masse auf ihrem ureigenen Kampfplatz, fast wie ein chinesischer Dämon.
    »Genau das hat er auch damals gemacht«, versuchte Hilary den Lärm zu überschreien, »stand da und kam nicht näher.«
    »Wenn man das Stehen nennen kann«, brüllte Callcutt zurück.
    Der Hund ekelte ihn an, und er konnte nicht umhin zu bemerken, daß Hilary leichenblaß geworden war und seine Hände um die schwungvoll verzierten Eisenstäbe krallte. Doch schließlich blickte Callcutt einen Moment hoch. Er sprach oder besser brüllte wieder: »An einem der Fenster im Obergeschoß steht ein Frauenzimmer. Wir sollten uns aus dem Staub machen.«
    Bevor Hilary darauf antworten konnte, was der Lärm, welchen der Hund verursachte, ohnehin erheblich erschwert hätte, geschah noch etwas. Die Haustür mit ihrer von zahlreichen Sprossen unterteilten Glasscheibe öffnete sich, und eine Frau trat heraus.
    Vielleicht war sie gekommen, um den Hund zu beruhigen und sich zu entschuldigen, vielleicht jedoch auch, um die Feindseligkeit des Tiers den ungebetenen Fremden gegenüber zu schüren: Hilary kümmerte das nicht. Die Frau war ungefähr in seinem Alter, und er wußte genau, wer sie war. Sie war die erwachsene Mary Rossiter, die vor zwanzig Jahren von einem Hund getötet worden war, einem Hund, der wahrscheinlich tollwütig war, einem Hund, den man dann vielleicht erschossen hatte, sicherlich aber einem höchst ungewöhnlichen Hund, diesem Hund ohne Zweifel.
    Wie immer er sich auch fühlen mochte, Hilary behielt die Fassung. »Hast du was dagegen, wenn wir jetzt gehen?«
    Er wandte seinen Blick ab und ging, ohne auf Callcutt zu warten, mit schnellen Schritten davon. Es war genau wie damals; er benahm sich wahrhaftig wie ein kleiner Junge.
    Er ging nicht über die holprige Straße, nicht an den Häusern entlang. Er lief geradewegs in den ungepflegten Stadtwald. Callcutt mußte hinter ihm herrennen.
    Hilary bemerkte, daß der Hund bei seinem Rückzug auch sein Gebell eingestellt hatte. Vielleicht war er aber bereits außer Hörweite, obwohl das unwahrscheinlich schien. Nichtsdestoweniger wurde es für Callcutt zu einer regelrechten Aufholjagd, einer Aufholjagd mit höchst unangenehmen Begleiterscheinungen zudem.
    Hilary hingegen hatte sich bald wieder gefangen und konnte Callcutt mitteilen, was er wahrgenommen oder, wie er es ausdrückte, ›sich eingebildet‹ hatte.
    »Ich hätte mich auch bald aus dem Staub gemacht, das kannst du mir glauben«, versicherte Callcutt.
    »Ich weiß, daß es Mary war«, sagte Hilary. »Ich weiß es.« Sie schwiegen eine Zeitlang, während sie über den unebenen, ausgelaugten Boden stapften.
    Dann ergriff Callcutt erneut das Wort. Es gab da etwas, das er unmöglich für sich behalten konnte, und Hilary schien wieder in Ordnung zu sein.
    »Weißt du noch, wie wir uns über die Namen dieser Häuser amüsiert haben? Samandjane und Pasadena und Glückliche Stunden und all das, ganz im Stil leitender Angestellter. Weißt du, wie dieses Hunde-Haus hieß?«
    Hilary schüttelte den Kopf. »Ich habe nicht darauf geachtet.«
    »Du wirst es kaum glauben. Der Name über unseren Köpfen war Maryland. «

Ravissante

    Ich hatte einen Bekannten, der - in der Zeit vor unserer Bekanntschaft - als Maler begonnen hatte, nun jedoch jene kostspieligen Hochglanz-Kunstbücher ›zusammenstellte und herausgab‹, die sich zwar angeblich erstaunlich gut verkaufen, die jedoch nie von jemandem, den man kennt, gekauft oder von jemandem, den man sieht, aufgeschlagen werden.
    Ich lernte diesen Mann auf einer Party kennen. Der überaus modern gestaltete Raum wurde nur streifenweise von irisierenden Studioleuchten in Metallfassungen erhellt. Der Mann stand in einer der unbeleuchteten Ecken, wirkte schüchtern und

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