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Glockengeläut

Glockengeläut

Titel: Glockengeläut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Aickman
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Gesprächspause, während der Callcutt mit seinen Gedanken und Hilary mit seinen Erinnerungen beschäftigt war, Erinnerungen, die während einer langen Zeit auf dem Grunde seines Gedächtnisses begraben gewesen waren.
    »Das war ja eine ganz entsetzliche Sache«, faßte Callcutt ihr Gespräch schließlich zusammen. »Meinst du, wir könnten den Tatort noch einmal aufsuchen. Oder wäre das zu viel für dich?«
    »Nein, wenn ich den Ort überhaupt wiederfinde.« Und so gab ein Wort das andere. »Ich bin nie mehr dort gewesen.«
    »Kann ich mir vorstellen«, sagte Callcutt, der diese Möglichkeit auch nicht in Betracht gezogen hatte. Dann fügte er hinzu: »Was heißt ›nie‹?«
    »Nie«, sagte Hilary. »Schließlich bin ich ohnehin nicht oft hier.«
    »Wessen Wagen sollen wir nehmen?«
    »So weit ich mich an die Gegend erinnere, sollten wir wohl besser zu Fuß gehen. Wahrscheinlich stehen dort heute sowieso Wohnwagen und Bungalows.«

    Und so sah es im wesentlichen dann auch aus. Es wäre zweifellos ungerecht gewesen, den kommunalen Autoritäten, der gesetzlichen Körperschaft, dem ehrenamtlichen Kuratorium, oder wer auch immer für die Erhaltung der Landschaft zuständig sein mochte, den Vorwurf zu machen, die Schönheit des nationalen Naturerbes dezimiert zu haben; fest stand jedoch, daß das Areal, das früher in Weiden und halbverwildertes Waldland überging, heute fast bis zum letzten Meter mit Häusern bebaut war. Die großen, teuren Häuser hatten die Wildnis von Hilarys Kindertagen in so etwas wie einen öffentlichen Park verwandelt, einen zersiedelten Park mit dem üblichen dichten Netz von plan- und ziellosen Trampelpfaden ohne sichtbare Funktion. Nun strichen Hilary und Callcutt am Rande dieser traurigen Gegend herum und hielten Ausschau.
    »Hier irgendwo war es«, erklärte Hilary. »Auf alle Fälle in diesem Abschnitt.«
    »Es hat sich vermutlich alles derart verändert, daß wir wohl ohne Karten nicht weit kommen werden. Keines dieser Häuser kann älter als zehn oder zwölf Jahre sein.«
    Die Gebäude wiesen die mannigfaltigsten Stilrichtungen auf: von Cotswold bis Marokko, von Ernest George bis Frank Lloyd Wright. Einige suchten noch immer das altmodische Prinzip größtmöglicher Abgeschiedenheit zu verwirklichen, doch die meisten zeugten vom Wunsch ihrer Bewohner nach gutnachbarschaftlichen Beziehungen und weiten, offenen Flächen. Trotz solchen Strebens nach Verschiedenheit lag mehr als nur ein Hauch von Uniformität über der Siedlung, die daher um so bedrückender wirkte.
    »Ich glaube auch, daß mein Spukhaus verschwunden ist«, sagte Hilary. »Überbaut. Es war ja damals schon sehr verfallen.«
    Die Häuser verband eine holprige Straße, um deren Instandhaltung sich offensichtlich niemand kümmerte, was den fragwürdigen Vorteil mit sich brachte, daß die Siedlung kaum von Durchgangsverkehr belästigt wurde.
    Eines der größten Häuser war im Hollywood-Stil erbaut: ein protziges Gebäude mit einem Dach aus schreiend bunten Fayence-Schindeln, vielerlei pseudo-spanischem Gußeisenwerk, nicht handgearbeitet, aber dennoch teuer, sowie einer Außentreppe aus grellroten Ziegeln. Eine Mauer in abgetöntem Weiß umschloß das Anwesen. Hilary und Callcutt starrten durch die überreich verzierten Gittertore im Stile eines Denkmals.
    »Es sieht aus wie eine Karikatur des alten Gebäudes«, überlegte Hilary. »Viel kleiner, viel greller - aber trotzdem ...«
    Alle Fenster waren geschlossen, und keine Menschenseele war zu sehen. Auch die anderen Häuser schienen in absoluter Stille dazuliegen, und nichts und niemand ließ sich auf der holprigen Straße blicken. Die beiden Männer lugten immer noch durch die reich verzierten, gleichwohl wenig eindrucksvollen Gitter des Eingangstors.
    Hinter dem Haus kam um die von ihnen aus links gelegene Ecke ein großer, gelber, sein Winterfell in großen Fetzen verlierender Hund hervor, still wie seine Umgebung. Sie konnten das Geräusch seiner Pfoten auf den Betonplatten kaum vernehmen.
    Hilary sagte nichts, bis der Hund, der sich ihnen zunächst genähert hatte, sich abwandte und ihnen mit augenscheinlichem Desinteresse seine rechte Flanke darbot. Dann sprach er. »Bogey«, flüsterte er, »das ist derselbe Hund.« Callcutt wurde von seinen engsten Freunden Bogey gerufen, ein Spitzname, den ihm ein Vorfall während seiner frühen Jahre bei der Armee eingetragen hatte.
    Callcutt dachte gründlich nach, bevor er antwortete. Dann sagte er: »Quatsch, Hilary. Hunde werden

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