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Glockengeläut

Glockengeläut

Titel: Glockengeläut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Aickman
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wußte ich, und das stimmte mich am traurigsten, daß das, was ich an Madame A. als ›Härte‹ bezeichnet habe, nichts anderes als die Auswirkungen jenes Orkans waren, der uns alle mehr oder weniger unsanft auf den Wogen des Lebensozeans umtreibt - Künstler und darunter solch göttliche Existenzen wie ›meine‹ Maler nicht ausgenommen.
    Wie so oft wäre es indes auch hier besser gewesen, nichts zu wissen.
    »K.!« krächzte Madame A. »K. arbeitete drei Jahre als Polizeispitzel, und diese drei Jahre waren die glücklichsten seines Lebens. Das hat er mir selbst einmal gesagt. Er stand zu diesem Zeitpunkt zwar unter Alkohol- oder vielleicht auch unter Drogeneinfluß, aber es war die reine Wahrheit. Und sie können es mit eigenen Augen in seinen Bildern entdecken, wenn Sie nur hinzuschauen verstehen: Es sind die Bilder eines eingefleischten Onanisten. Wissen Sie, warum seine Frau ihn verlassen hat? Nun, er war impotent bei jeder Frau, war es schon sein ganzes Leben lang. Er wußte das nur zu gut, als er sie heiratete. Er heiratete sie überhaupt nur, weil sie eine kleine Erbschaft gemacht hatte und er schon damals von Kokain oder der Himmel weiß von was sonst noch abhängig war. Wenn ich lese, wie K.s Bilder vom Musée Royal des Beaux Arts angekauft werden, dann kann ich nur noch lachen. Lachen und ausspucken.« Was sie denn auch beides tat. Sie hatte die Angewohnheit, während sie sprach, an ihrem Ausschnitt herumzuzerren, wodurch sie ihn noch tiefer zog. Mit fortschreitendem Abend schien sich dieser unbewußte Reflex, oder besser dieser nervöse Tick, immer mehr zu verselbständigen.
    »L.«, fuhr sie fort, »fing als Maler von riesigen Landschaften an. Die malte er wirklich gerne. Er verbrachte mit Vorliebe Tage und Wochen in vollkommener Einsamkeit in Norwegen oder Schottland und malte genau das, was vor ihm lag - und bei jedem Bild wurde die Leinwand noch ein Stückchen größer. Das Problem war, daß niemand derartige Bilder kaufen wollte. Sie waren ordentlich gemacht, aber langweilig, sterbenslangweilig. Wenn man sie so nebeneinander an den Wänden seines Studios hängen sah, konnte man nur noch gähnen. Und die Leute, die er für seine potentiellen Käufer hielt, sahen sie genau so! Man wäre nie auf die Idee gekommen, daß tatsächlich jemand eines dieser Bilder hätte kaufen können. Wenn man in seinem Studio war, wollte man nur noch hinaus und so schnell wie möglich diese langweiligen Bilder vergessen. All die Bilder von L., denen Sie so viel Bedeutung beimessen, all diese ›Salomés‹ und ›Großen Babylonischen Huren‹, mochte er überhaupt nicht. Er malte sie, weil zwei Dinge gleichzeitig passierten: Zum einen ging ihm das Geld aus und zum anderen begegnete er Maeterlinck. Er traf Maeterlinck zwar nur ein einziges Mal, aber es löste etwas in ihm aus: Maeterlinck war in Mode und überaus erfolgreich, und L. sah nicht ein, warum ihm das nicht auch so gehen sollte. In Wahrheit jedoch steckte das alles gar nicht in dem kleinen Männchen drin, und nach kurzer Zeit gab er die Malerei auf und wurde Funktionär, wie Ihnen ja sicher bekannt sein dürfte, obwohl dieser Berufswechsel wahrlich ein bißchen spät in seinem Leben kam.«
    »Nein, Madame, das wußte ich nicht.«
    »Aber ja, er lebt ja schließlich noch. Er ist heute ein wahres Nervenbündel - irgendeine Krankheit, die ihn immer nervöser macht. Er könnte sie sich gut von der ›Großen Babylonischen Hure‹ geholt haben, aber er ist ihr nie nahe genug gekommen, um sich etwas einzufangen. Jedenfalls ist L. noch am Leben - gerade eben noch. Ich habe ihn manchmal besucht, als ich noch das Haus verließ. Er lieh sich gern meine alten Kunstdrucke aus. Ich besitze Hunderte davon, alle aus der Zeit vor dem Krieg. Ah, les sales boches «, fügte Madame A. ohne ersichtlichen Bezug hinzu, wie viele Franzosen und Belgier es aus purer Gewohnheit tun.
    Trotz alledem hatte ich es wohl nicht verhindern können, daß meine Augen bei der Erwähnung der alten Kunstjournale begehrlich aufblitzten. In diesen Publikationen findet man oft seltene Informationen von eben der Art, die ich für besonders wertvoll und fesselnd erachte.
    »Aha«, krächzte Madame A. beinahe triumphierend, »das läßt sich schon besser an. Sie gewöhnen sich langsam an mich, nicht wahr?« Sie griff nach meinen Händen.
    Sie ergoß ihren Redeschwall nunmehr in fließendem Englisch über mich, eine große Erleichterung, denn zuvor hatte sie einmal mehrere Sätze in einer mir völlig

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