Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Glockengeläut

Glockengeläut

Titel: Glockengeläut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Aickman
Vom Netzwerk:
unbekannten Sprache von sich gegeben. Zweifellos hatte sie mich kurzfristig vergessen oder mit jemand anderem verwechselt.
    »Aber Sie sehen ja ganz erhitzt aus«, rief Madame A., während sie mich wieder freigab. »Warum ziehen Sie nicht Ihr Jackett aus?«
    »Vielleicht«, erwiderte ich, »könnte ich ein wenig im Salon umhergehen und mir die Bilder ansehen?«
    »Aber sicher. Wenn Sie möchten.« Sie klang, als sei dies ein ausgesprochen lachhafter und womöglich auch ungalanter Wunsch meinerseits.
    Ich entzog mich ihr und schritt von Bild zu Bild. Sie sagte, während ich durch den Raum schlenderte, kein einziges Wort mehr, blieb jedoch mit dem Rücken zum Feuer stehen, die kurzen Beine weit auseinandergespreizt, gnomenhaft in mehr als einer Hinsicht. Ich könnte nicht behaupten, daß ihre Blicke mir mit ironischem Funkeln auf meinem Spaziergang folgten, denn ihre Augen waren für eine derartige Botschaft viel zu ausdruckslos. Die Beleuchtung des Raums erwies sich, so stilvoll sie auch sein mochte, zur genauen Betrachtung von Gemälden als höchst ungeeignet. Ich konnte fast nichts erkennen. An der Wand, die am weitesten entfernt von der Straße und vom Kamin lag, herrschte beinahe völlige Dunkelheit. Es war absurd, mit der Besichtigung fortzufahren; gleichwohl machte sich in mir ein wachsendes Gefühl der Enttäuschung breit.
    »Es ist wirklich schade, daß meine Adoptivtochter nicht hier ist«, ließ sich Madame A. aus der Helligkeit vernehmen. »Sie könnte Sie besser unterhalten als ich. Sie würden sie mir bestimmt vorziehen.«
    Der Ton ihrer Stimme war unverhohlen kokett. Mir fiel keine passende Antwort ein. »Wo hält sich denn Ihre Adoptivtochter auf?« brachte ich schließlich langsam und wenig überzeugend hervor.
    »Weit weg. Außer Landes. Mit irgend so einer Kreatur natürlich. Der Himmel weiß wo.« Sie stieß ein gackerndes Lachen hervor. »Der Himmel weiß mit wem.«
    »Es tut mir leid, ihr nicht begegnet zu sein«, sagte ich, auch dies, wie mir nur zu klar war, wenig überzeugend. Ich war ungehalten darüber, daß man mich nicht zu einer Zeit eingeladen hatte, zu der ich die Bilder bei Tageslicht hätte betrachten können.
    »Kommen Sie hierher, Monsieur«, rief Madame A., wobei sie mit ihrem rechten Zeigefinger auf meinen heißen Ohrensessel deutete und sich dann mit der Handfläche aufmunternd aufs Knie schlug, als wolle sie ein unartiges Hündchen zur Räson bringen. Genau so wirkte es, dachte ich bei mir. Ich habe es oft beobachten können, auch wenn ich selbst nie einen Hund hatte. Ich enthielt mich jeglichen Kommentars und kehrte, wenn auch zögernd, an den heißen Kamin zurück. Madame A. war, wie ich bereits erwähnte, ebenso herrisch wie kokett.
    Und dann geschah etwas Merkwürdiges. Ein wirklicher Hund war im Raum. Im nachhinein bin ich mir gar nicht mehr so sicher, wie wirklich er war. Ich sage also nur: ein Hund. Es war ein kleiner schwarzer Pudel, getrimmt, mit glänzendem Fell, ein flinkes Tierchen. Er tauchte aus der dunklen Ecke rechts der Eingangstür auf, lief zum Kaminfeuer, drehte sich rechts von mir einige Male im Kreis vor Madame A., um dann im Schatten zu meiner Linken zu verschwinden, dort, wo ich noch vor kurzem gestanden hatte. Als ich ihn genauer betrachtete, schien er mir sehr große Augen und sehr lange Beine zu haben, eher wie eine Spinne denn ein Pudel, aber zweifelsohne mußte man diesen Effekt dem flackernden Licht des Kaminfeuers zuschreiben.
    In diesem kurzen Augenblick mußte ich vieles gleichzeitig aufnehmen; dazu gehörte, daß Madame A., wie mir sehr deutlich wurde, den Hund nicht zu bemerken schien. Sie starrte vor sich hin, die schwarzen Augen ausdruckslos wie immer. Noch als ich den Hund beobachtete, kam mir die Vermutung, daß Madame A. in Gedanken bei ihrer Adoptivtochter und von daher abgelenkt sein müsse. Daß sie den Hund übersehen hatte, verdiente wohl keine besondere Beachtung, denn er war sehr leise gewesen, und möglicherweise war sie auch so an das Tier gewöhnt, daß sie es gar nicht mehr wahrnahm. Zu diesem Zeitpunkt beschäftigte mich vielmehr die Frage, wo der Hund sich nur die ganze Zeit über verborgen haben konnte, war ich doch immer im Raum und die Tür überdies geschlossen gewesen.
    »Ein niedlicher Pudel«, sagte ich zu Madame A., um das Schweigen zu brechen und weil man Engländer im allgemeinen für Hundenarren hält - obwohl ich in dieser Hinsicht eher eine Ausnahme bin.
    »Comment, Monsieur?« Ich sehe sie jetzt noch vor mir,

Weitere Kostenlose Bücher