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Glockengeläut

Glockengeläut

Titel: Glockengeläut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Aickman
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obwohl das, was ich beschrieben habe, sich nicht jede Nacht abspielte.
    Unglücklicherweise fühlte ich mich durch diese Entwicklung der Dinge daran gehindert, meine ohnehin nicht sehr zahlreichen Freunde mit nach Hause zu bringen, insbesondere meine wenigen und mir von daher um so kostbareren Damenbekanntschaften. Man konnte sich nie ganz sicher sein, was passieren würde, und alle etwaigen Erklärungen meinerseits wären zugleich lächerlich, unglaubhaft und rätselhaft gewesen. Es schien sogar unmöglich, mir auch nur irgendeine nichtssagende Ausrede zurechtzulegen. Ein junger Mann, der niemanden mit zu sich nach Hause nehmen kann, ist schwer benachteiligt. Ich sah mich genötigt, länger den Einsiedler zu spielen, als mir lieb war. Immerhin kam ich zu dem Ergebnis, daß ich durch unglückliche Umstände mehr noch als durch mein Temperament daran gehindert wurde, neue Bekanntschaften zu schließen. Zudem hatte Mr. Millar nicht nur die Atmosphäre in unserem Haus verändert, er hatte auch in mir gewisse Veränderungen bewirkt.
    Zunächst fiel es mir in meinem Verhältnis zu Maureen auf. Maureen besuchte mich nicht mehr, und wenn wir uns begegneten, waren wir wie Fremde. Wir starrten einander kalt in die Augen, als seien wir durch eine unaussprechliche Erfahrung voneinander getrennt. Allerdings entsetzte es mich, wenn ich überhaupt darüber nachdachte, daß es mich nicht weiter bekümmerte. Und dabei war mir Maureen zu guter Letzt so lieb geworden, wie ich ihr nie auch nur andeutungsweise hatte deutlich machen können. Es lag keineswegs daran, daß ich vielleicht jemand anderen kennengelernt hätte. Weit gefehlt. Ich war nur in gewisser Weise einfach geschrumpft.

    Schließlich begegnete ich, wie es auch nicht anders zu erwarten stand, einigen von Mr. Millars späten Besuchern, entweder auf der Türschwelle oder wie sie, Mr. Millar mitten unter ihnen, in einem Knäuel von Leibern die Treppe erklommen, ein- oder zweimal auch, wie sie einfach nur auf der Treppe standen und auf irgend etwas warteten. Es war schon seltsam, spät abends auf seiner eigenen Treppe vollkommen fremden Leuten zu begegnen. Sie dachten nie daran, mich anzusprechen; auch die Personen, die Mr. Millar begleiteten, manchmal Arm in Arm mit ihm, redeten nie auch nur ein Wort mit mir, ja sie schienen verlegen, beizeiten sogar erschreckt zu sein, mir zu begegnen. Weniger noch als sie beachtete mich indessen Mr. Millar selbst. Wie stets vermied er jeglichen Blickkontakt mit mir, und das, obwohl er mich bemerkte und die anderen veranlaßte, mir Platz zu machen, so, als sähe er mich mit einem dritten Auge.
    Mr. Millars Besucher sahen so aus, wie ihre Ausdrucksweise es vermuten ließ, womöglich schlimmer. Derart rauhe Zeitgenossen mögen sich auf einem Hogarth-Gemälde recht pittoresk ausnehmen, wenn sie jedoch den Gegenverkehr auf einer engen Treppe bilden, erscheinen sie keineswegs vertrauenerweckend. Die männlichen Bekannten von Mr. Millar wirkten wie professionelle Kleinkriminelle, Gewalt nicht ausgeschlossen, unerfreuliches Ende garantiert. Ich bemerkte, daß sich Männer und Frauen bei Mr. Millars Nachtbesuchen selten zueinander gesellten, obwohl mir einmal ein hochschwangeres, entsetzlich bleiches Mädchen auffiel, das ein pockennarbiger Mann die Treppe hochzerrte. Die Männer und Frauen, meiner ansichtig geworden, unterbrachen meist ihre Gespräche, und falls ich dann doch einmal etwas vernahm, erwies es sich als derartig banal, daß es Millar selbst alle Ehre gemacht hätte. Nie gab es eine - wie auch immer geartete - ›Klärung‹ dieser seltsamen Vorgänge. Und auch über Mr. Millar, dessen Verhältnisse schon recht offen zutage traten, wurde dadurch bis zuletzt nichts enthüllt.
    Irgendwann einmal drängte sich mir eine lächerlich einfache Erklärung für all die Besucher auf. Könnte es nicht sein, daß diese Leute, oder zumindest einige von ihnen, wirklich Kunden waren? Kunden mit kleinen Unternehmen, etwa mit Bars oder etwas Ähnlichem, die, ihrer offensichtlichen Schäbigkeit zum Trotz, eine gewisse Buchführung benötigten - oder besser gleich mehrere (wie mein Großonkel gesagt hätte). Die Leute mochten ihre Gründe dafür haben, nicht tagsüber vorbeizukommen, möglicherweise sogar gute und ehrliche Gründe, die sich aus den Erfordernissen eines Ein-Mann- oder Ein-Frau-Betriebs ergaben. Dies würde auch Mr. Millars Angewohnheit, im Büro zu nächtigen, und seine Behauptung, geschäftliche Zwänge seien dafür verantwortlich,

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