Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Glockengeläut

Glockengeläut

Titel: Glockengeläut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Aickman
Vom Netzwerk:
ihn wahrgenommen hatte. Und schon dieser leichte Hauch genügte, daß mir sofort übel wurde. Trotzdem harrte ich aus, brachte es gar fertig, mit gespannter Aufmerksamkeit nach unten zu lauschen.
    Es konnte keinen Zweifel mehr an der Realität der Geräusche unter mit geben, hingegen aber alle möglichen Zweifel darüber, wer sie verursachte. Irgend etwas oder irgend jemand schwankte und schlurfte durch die vollkommene Dunkelheit dort unten, schürfte an den Wänden entlang, wobei es mir unmöglich war zu unterscheiden, in welchem Stockwerk oder auf welchem Treppenabsatz sich das abspielte. In einem Anfall recht absurder Logik sah ich einen Blinden vor meinem inneren Auge. Hingegen erschienen die Geräusche alles andere als menschlich zu sein. Es klang eher, als ob ein schwerer Sack sich träge, wenngleich aus eigenem Antrieb voranwälzte, unfähig zu behender Fortbewegung, vermutlich besorgt, nicht den Falschen aufzustören.
    Zu der Übelkeit - mir war derart schlecht, daß ich glaubte, mich übergeben zu müssen - gesellte sich ein starkes Zittern, das mich jeder weiteren Entscheidung enthob: Weitere Nachforschungen waren mir körperlich unmöglich. Ich zog mich auf mein Territorium zurück und verschloß die Tür so leise ich vermochte. Unter normalen Umständen hätte das, was ich gehört hatte, wohl ausgereicht, um einen Anruf bei der Polizei zu rechtfertigen, doch ich denke, daß nicht nur die Tatsache, kein Telefon zu besitzen, mich von einem derartigen Notruf abhielt. Und so saß ich dort in der Dunkelheit, mein Taschentuch fest vor die Nase gepreßt. Bald begann ich zu frösteln und kroch wieder in die Geborgenheit meines Bettes zurück.
    Glücklicherweise war der Geruch nicht stark genug, um bis in mein Zimmer vorzudringen, gleichwohl drückte ich mein Gesicht so fest wie möglich in das Kissen, lag dort und lauschte, lauschte auf Geräusche, die ich zu hören fürchtete, vor allem aber darauf bedacht, keine Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen. Und so bin ich dann wohl schließlich trotz aller Mißlichkeiten eingeschlafen.

    Während ich am darauffolgenden Sonntagmorgen noch immer versuchte, mein Frühstück zu essen, vernahm ich von ferne den ersten Motorendonner des grünen Mannes in dem kleinen Sportwagen. Ich hörte, wie er die Eingangstür mit Schwung gegen die Hauswand schmetterte und die Treppe heraufstieg. Weder er noch irgend jemand, der in Verbindung mit diesem Unternehmen stand, hatte jemals zuvor an einem der Sonntage, an denen ich dort war, das Gebäude betreten. Der Mann verlangsamte diesmal seinen Schritt nicht in Mr. Millars Etage, wie er es sonst immer tat, sondern ging unverzüglich ins Dachgeschoß. Ich spürte, wie mich eine Gänsehaut überlief, während ich ihn hörte. Ein Schrecken kommt selten allein. Statt zu klingeln, wartete er einen Augenblick reglos vor meiner Tür. Vielleicht vermutete er ja, daß seine Ankunft vernehmlich genug war, womit er nicht Unrecht hatte. Da ich jedoch nichts unternahm, versetzte er der Blende am unteren Teil der Tür einen heftigen Tritt.
    Ich öffnete mit dem Rest von Würde, zu dem ich noch fähig war. Zumindest der drückende Gestank schien sich verzogen zu haben.
    »Dachte, Sie hätten mich schon gehört«, stieß der Mann mit kräftiger, aber, wie man damals zu sagen pflegte, gebildeter Stimme hervor.
    »Hab’ ich.«
    »Also«, sagte der Mann in einem Ton, der seinen Unwillen ausdrückte, auch nur die geringsten Einwände gelten zu lassen. Seine Blicke durchbohrten mich. Das unterschied ihn deutlich von Mr. Millar. Sein Tweedhütchen trug er diesmal nicht.
    »Irgend jemanden gesehen?«
    »Wann?« fragte ich.
    »Gestern oder heute«, sagte der Mann gelangweilt, so als erübrige sich eine Antwort, was auch tatsächlich der Fall war.
    »Nein«, antwortete ich ihm wahrheitsgemäß, »nein, nicht daß ich wüßte.«
    »Oder gehört?« bohrte der Mann weiter, wobei er mich noch eindringlicher fixierte und meinen Widerstand Schritt für Schritt brach.
    »Was hätte ich denn Ihrer Meinung nach hören sollen?«
    »Leute oder Dinge«, sagte der Mann. »Und?«
    »Sie meinen etwas Besonderes?«
    Ich hatte eigentlich nur Zeit schinden wollen, um so mehr erschütterte mich der Nachdruck, mit dem er meiner letzten Bemerkung beipflichtete.
    »Wenn Sie so wollen.«
    Ich war dermaßen erschüttert, daß ich abermals zögerte.
    »Was ist passiert?« fragte der Mann noch einmal. Er legte genau den Ton an den Tag, den Vertrauensschüler in der Public School immer

Weitere Kostenlose Bücher