Glockengeläut
nicht. Ich bin ganz Ihrer Meinung.«
»Da ist noch etwas. Etwas - ganz anderes.«
»Wollen Sie darüber reden?«
»Ich glaube, ich sollte.«
»Tut mir leid, daß kein Kaffee mehr da ist.«
»Er war sehr gut.«
»Also?«
So erzählte ich ihm von den noch seltsameren Ereignissen jenes Morgens und der vorangegangenen Nacht. Ich mußte es jemandem sagen.
»Dann haben wir es jetzt auch noch mit Untoten zu tun?«
Ich starrte ihn an.
»Was ist los?« wollte er wissen. »Wollten Sie das nicht andeuten?«
Ich muß ihn wohl einfach weiter angestarrt haben.
»Oder sollte ich Sie völlig mißverstanden haben?«
»Keinesfalls«, brachte ich schließlich hervor. »Ich glaube, Sie haben es ganz genau verstanden. Es ist nur so, daß ich mir das noch gar nicht richtig klargemacht hatte.«
»Daß Sie Besuch von einem Wesen aus einer anderen Welt als dieser hier bekommen haben? Oder zumindest den Eindruck hatten? Ich dachte eigentlich, daß Sie darauf hinaus wollten!«
»Was mir allerdings nie zu Bewußtsein gekommen ist -«, ich vermochte es nicht auszusprechen. »Ich habe ja bereits erwähnt«, fuhr ich fort, »daß Mr. Millar auf mich den Eindruck machte, als bedrücke ihn irgend etwas.«
»Von den Gespenstern seiner Vergangenheit verfolgt, um genau zu sein. Ja, ja, ich habe Sie schon richtig verstanden«, beruhigte mich Gilbert.
Es wäre unrichtig zu behaupten, meine Stimme hätte sich nicht verändert.
»In diesem Haus spukt möglicherweise der Geist seines Opfers.«
Maureens Mann sah mir geradewegs in die Augen. »Seiner Opfer. Benutzte ihr Freund in Grün nicht den Plural?«
»Vielleicht zieht Mr. Millar ständig von Ort zu Ort, unablässig auf der Flucht. Und tut alles Mögliche, um zu vergessen. Greift gierig nach jeder Art von Ablenkung. Lädt sogar mich zu einem Drink ein.«
»Immer noch wie vierzig Jahre später«, sagte Maureens Mann. »Aber kümmern Sie sich nicht um meine philosophischen Anwandlungen. Wahrscheinlich liegt es nur daran, daß ich es nicht allzu weit gebracht habe. Warum nennen Sie ihn eigentlich Mr. Millar?«
Ich sah ein, daß dies einen Ehemaligen von Harrow irritieren mußte.
Meine Antwort indes, auch wenn sie ganz spontan aus der Situation geboren wurde, gefiel mir.
»Um ihn mit dem Rest der Welt zu verbinden. Er ist einer, der das braucht.«
»Ich verstehe«, sagte Maureens Mann. »Ich werde über das, was Sie erzählt haben, nachdenken. Allerdings hab’ ich nie daran gezweifelt, daß der alte Millar ein hoffnungsloser Fall war. Wahrscheinlich hab’ ich mich deshalb auch von ihm ferngehalten. Natürlich erlaubt uns unsere finanzielle Lage im Moment nicht, umzuziehen. Man könnte sagen, daß die materiellen Faktoren die immateriellen in diesem Falle überwiegen. Also entschuldigen Sie bitte, daß ich Ihnen nicht anbiete, mit Ihnen Wache zu halten und der namenlosen Schrecken zu harren.« Sein Gesichtsausdruck änderte sich. »Sie haben doch Verständnis dafür? Es ist nur einfach so, daß ich die Kinder nicht allein lassen und schon gar nicht mitnehmen kann.«
»Das hab’ ich nie erwartet«, sagte ich, und das war die Wahrheit.
»Und wenn Sie eines schönen Tages kreischend die Treppe heruntergestürzt kommen, zögern Sie nicht, mich aufzuwecken. Klopfen Sie laut, denn ich schlafe wie ein Toter, wenn ich mich den ganzen Tag in dem dreckigen Laden abgeschunden habe. Außerdem könnte Lärm die Erscheinungen womöglich vertreiben.«
Ich hätte eine etwas andere Haltung bei meinem Gesprächspartner bevorzugt, aber offenbar mußte man den Mann nehmen, wie er war. Ich machte noch einen letzten Versuch.
»Ich weiß, daß es mich wirklich nichts angeht, aber ich würde Ihnen allen Ernstes raten, nicht mehr lange in einem Haus mit diesen Leuten zusammenzuwohnen. Wenn sie ausziehen würden, wäre es vermutlich etwas anderes.«
»Nicht notwendigerweise, nach allem, was Sie erzählt haben. Aber das wirkliche Problem besteht doch darin, daß es immer irgend etwas gibt - nicht nur irgend etwas Schlimmes, sondern etwas durch und durch Böses. Ich verstehe, daß Millar an Ihren Nerven gezerrt hat, und ich kann es Ihnen wirklich nicht verdenken. Aber wenn Sie jemals in einem jener Löcher gewohnt hätten, in denen Maureen und ich gehaust haben, nachdem man mich gefeuert hatte ... Glauben Sie mir, mein Freund, es ist immer verdammt schwer, eine der Ameisen im Heer der arbeitenden Massen zu sein. Für mich ist dieses Haus eine wahre Oase. Sie werden vielleicht verstehen, was ich meine,
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