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Glockengeläut

Glockengeläut

Titel: Glockengeläut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Aickman
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wenn Sie sich auf Wohnungssuche begeben. Haben Sie etwas dagegen, wenn ich die Kinder jetzt wieder herunterhole?«
    »Ich geh’ schon«, sagte ich. »Und vielen Dank, daß Sie mir zugehört haben.«
    »Gern geschehen«, sagte er. »Ich hab’ immer ein offenes Ohr für Sie. Ich werde Maureen sagen, daß Sie vorbeigeschaut haben. Das heißt, wenn es ihr wieder besser geht.«

    Überflüssig zu sagen, daß Maureens Mann in geradezu schauerlicher Weise recht behalten sollte. Ich konnte keine auch nur ansatzweise vergleichbare Wohnung finden. Manchmal bekam ich Angebote, die wirklich erschreckend waren. Das jedenfalls war das Ergebnis nach beinahe einer Woche Wohnungssuche, während der ich meine Arbeit für Major Valentine sträflich vernachlässigt hatte. Eine Woche scheint nicht besonders lang, doch es war schon erstaunlich, wie viele kleine dunkle Löcher sich während sechs Tagen der Suche aus dem Kompost des Londoner Wohnungsmarktes exhumieren ließen. Jedenfalls hatte ich nach Ablauf dieser magischen Wochenfrist einen kritischen Punkt erreicht. Ich hätte es sehr begrüßt, zumindest die Aussicht auf eine neue Wohnstatt gehabt zu haben, bevor ich mich für ein weiteres Wochenende in diesem Haus wappnete.
    Die Herren Stallabrass, Hoskins und Cramp schienen ihre Geschäfte wie üblich weiterzuführen, obwohl ich mir, da ich den Großteil jener Tage außer Haus verbrachte, in dieser Hinsicht nicht vollkommen sicher sein konnte. Die Nacht von Donnerstag auf Freitag machte Mr. Millar mit nicht weniger als drei lärmenden Mädchen zum Tag, bis dieser tatsächlich in Gestalt der Morgendämmerung durch meine Vorhänge sickerte, grau wie Maureens Kleid.
    Ich wußte, daß ich die Nächte des kommenden Wochenendes nicht überstehen würde. Samstagnacht trat ich den Rückzug zu meiner Mutter an, nachdem ich den ganzen Tag damit verbracht hatte, eine Wohnung nach der anderen von meiner langen Liste abzuhaken (viele davon konnte man angeblich nur samstags besichtigen, manche gar nur samstags nachmittags, etwa zwischen zwei und vier Uhr).
    »Was für eine Überraschung!« rief meine Mutter aus. »Ich dachte schon, ich würde dich nie wieder zu Gesicht bekommen!«

    Und als ich dann am späten Montagmorgen zum Brandenburg Square zurückkehrte, wobei ich neben dem gewohnten Widerstand meiner Mutter diesmal auch noch eine gehörige Portion eigenen Widerwillens zu überwinden hatte, fand ich alles verändert vor.
    Ich mußte die Eingangstür zur Straße mit meinem Schlüssel öffnen, was während der ›Bürostunden‹ bislang nie erforderlich gewesen war. Die Angestellten der Herren Stallabrass, Hoskins und Cramp und ihre sportlichen Freunde strömten derart unablässig herein und heraus, daß eine verschlossene Haustür absurd gewesen wäre. Auch hätte das nicht mit dem Arbeits- oder besser Lebensstil des Unternehmens, heute würde man vermutlich ›Image‹ sagen, harmoniert.
    Im Haus war alles ruhig. Alle Türen waren verschlossen, auch das ungewöhnlich. Diesmal brachte ich den Mut auf, einige der Türklinken versuchsweise herunterzudrücken. Jede Tür, die ich auf diese Weise anging, war verschlossen.
    Ich stellte meine Segeltuchtasche ab und trat wieder auf die Straße, wobei die Eingangstür mit ihren festen Angeln hinter mir ins Schloß fiel.
    Das ungewöhnlich große Firmenschild aus Messing war abgeschraubt. Sogar der Schatten, der davon noch auf der Wand zurückblieb, fiel schwächer aus als sonst, hatte die Firma doch wesentlich kürzer unter uns geweilt als die vierzig oder achtzig Jahre eines damals üblichen Firmenlebens. Ich kratzte ein wenig in den Schraubenlöchern herum, doch fielen keine Mörtelstückchen heraus. Ich trat zurück und blickte zu den Fenstern hinauf. Auch sie waren alle geschlossen, woran jedoch nichts Ungewöhnliches war. Ich hatte noch nie ein offenes Fenster in den Büroetagen von Stallabrass, Hoskins und Cramp bemerkt. Ich überlegte, daß es nichts nutzen würde, im Souterrain nachzufragen, da Maureens Mann zu dieser Zeit im Lebensmittelladen arbeitete. (Zum ersten Mal stellte ich mir die Frage, wer denn jetzt wohl die Kinder aus der Schule abholte.) Da die Leute allmählich begannen, mich anzustarren, stieß ich die Haustür wieder auf und ging hinein.
    Maureen stand auf halber Höhe des ersten Treppenabsatzes, als erwarte sie mich.
    Sie trug eine weiße Bluse, welche die Generation meiner Mutter ›äußert knapp‹ genannt hätte, einen leuchtend roten Rock und ebensolche Schuhe. Ihre

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