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Glockengeläut

Glockengeläut

Titel: Glockengeläut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Aickman
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sagen. Tut mir leid, daß das Wasser nicht besonders heiß ist. Wir haben niemanden, der es Ihnen frisch aufs Zimmer bringen könnte.«
    Das Glockengeläut dauerte unvermindert an.
    Als Mrs. Pascoe die Tür hinter sich geschlossen hatte, ergriff der Kommandant das Wort.
    »War mal ein anständiger Kerl. Glauben Sie mir.«
    »Sie meinen Pascoe?«
    Der Kommandant nickte ernst.
    »Nicht gerade mein Typ«, gestand Gerald.
    »Tapferkeitsmedaille am Band. Fliegerabzeichen am Band.«
    »Und jetzt nur noch Drinks am laufenden Band. Warum?«
    »Sie haben gehört, was sie gesagt hat. Alles Lüge. Sie haben South Norwood nicht wegen der guten Seeluft verlassen.«
    »Das dachte ich mir.«
    »Er bekam Schwierigkeiten. Geriet in eine abgekartete Sache. War nicht der Mann, der den Menschen ins Herz blicken konnte, ihre ganze Schlechtigkeit sah.«
    »Traurig, traurig«, sagte Gerald. »Doch ob dies hier gerade der beste Platz für ihn ist?«
    »Der schlimmste«, sagte der Kommandant, ein dunkles Glosen in seinen Augen, »für ihn und überhaupt für jeden.«
    Wieder regte Phrynne sich im Schlaf, heftiger diesmal, so daß sie fast erwachte. Aus irgendeinem Grund verharrten die beiden Männer schweigend und reglos, bis ihr Atem wieder den ruhigen Rhythmus des Schlafes angenommen hatte. Gegen die Stille in dem Raum klangen die Glocken lauter als je zuvor. Es war, als schlüge ihr Dröhnen Breschen in die Mauern des Hotels.
    »Auf alle Fälle ist es ein überaus lauter Ort«, nahm Gerald die Unterhaltung wieder auf, immer noch mit gesenkter Stimme.
    »Warum mußten Sie ausgerechnet in dieser Nacht aller Nächte kommen?« stieß der Kommandant hervor. Obgleich auch er flüsterte, sprach er mit extremem Nachdruck.
    »Das hier geschieht also nicht oft?«
    »Einmal im Jahr.«
    »Man hätte uns das sagen müssen.«
    »Normalerweise nehmen sie gar keine Buchungen für diese Nacht entgegen. Sie haben kein Recht dazu. Als Pascoe noch das Sagen hatte, haben sie nie Buchungen angenommen.«
    »Mrs. Pascoe glaubte wohl, es sich nicht leisten zu können, ein Geschäft auszuschlagen.«
    »Eine Angelegenheit wie diese darf man keiner Frau überlassen.«
    »Hatte sie eine Wahl?«
    »Tief in ihrem Herzen sind alle Frauen Geschöpfe der Finsternis.« Der Ernst und die Verbitterung des Kommandanten verschlugen Gerald die Sprache.
    »Meine Frau stören die Glocken nicht«, sagte er nach einem Moment. »Eigentlich mag sie sie sogar.« Der Kommandant tat wirklich alles, um aus den Molesten der Situation ein Melodram zu machen.
    Der Kommandant wandte sich ihm zu und starrte ihn an. Gerald gelangte unvermittelt zu der Einsicht, daß das, was er gerade über Phrynne gesagt hatte, sie in den Augen des Kommandanten ebenfalls in die Legion der Verdammten einreihte.
    »Bringen Sie sie weg, Mann«, sagte der Kommandant, verächtlich und wild zugleich.
    »Morgen oder übermorgen vielleicht«, entgegnete Gerald mit höflicher Geduld. »Ich gebe zu, daß Holihaven eine Enttäuschung für uns ist.«
    »Jetzt. Solange noch Zeit ist. Noch in dieser Minute. «
    Der Kommandant sprach mit alarmierender Überzeugungskraft.
    Gerald überlegte. Selbst die verlassene Lounge mit ihrer trübsinnigen Einrichtung und den ordinären Möbeln wirkte plötzlich feindselig. »Sie können doch kaum die ganze Nacht lang üben«, flüsterte er. Doch nun war es Angst, die seine Stimme dämpfte.
    »Üben!« Die Verachtung des Kommandanten schnitt wie ein eisiger Pfeil durch den überhitzten Raum.
    »Was dann?«
    »Sie läuten, um die Toten aufzuwecken.«
    Ein plötzlicher Windstoß fuhr durch den Kamin und ließ das ohnehin schon prasselnde Feuer noch weiter auflodern. Gerald war bleich geworden.
    »Eine bloße Redewendung«, brachte er kaum hörbar hervor.
    »Nicht in Holihaven.« Der Blick des Kommandanten hatte sich wieder dem Feuer zugewandt.
    Gerald sah Phrynne an. Sie atmete jetzt flacher. Seine Stimme war kaum mehr als ein Hauchen. »Was wird passieren?«
    Auch der Kommandant wisperte fast. »Niemand kann wissen, wie lange sie läuten müssen. Das ist von Jahr zu Jahr verschieden. Ich weiß nicht, warum. Bis Mitternacht dürften Sie sicher sein. Vielleicht auch noch eine gewisse Zeit danach. Am Ende aber stehen die Toten auf. Erst einer oder zwei, schließlich alle. Heute nacht weicht sogar das Meer zurück. Sie haben es ja selbst gesehen. An einem Küstenort wie diesem gibt es jedes Jahr ein paar Ertrunkene. Dieses Jahr sind es sogar mehr als sonst gewesen. Aber es geht nicht nur um

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