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Glockengeläut

Glockengeläut

Titel: Glockengeläut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Aickman
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Sie tönte scharf wie ein Pistolenschuß.
    In einer Tür zwischen den Regalen erschien Mrs. Pascoe. Ihres marineblauen Jacketts hatte sie sich entledigt, das Make-up begann zu verlaufen.
    »Einen Cognac bitte. Einen doppelten. Und einen Kümmel.«
    Mrs. Pascoes Hände zitterten so stark, daß sie nicht in der Lage war, den Korken aus der Cognacflasche zu ziehen.
    »Erlauben Sie.« Gerald langte über die Theke.
    Mrs. Pascoe stierte ihn trübe an. »Gut. Aber ich gieße ein.«
    Gerald zog den Korken heraus und reichte ihr die Flasche zurück. Mrs. Pascoe schüttete ein nicht eben genau bemessenes Quantum Cognac in das bauchige Glas. Die Katastrophe folgte auf dem Fuße. Nicht in der Lage, die Flasche wieder auf das hohe Bord zu bugsieren, stellte Mrs. Pascoe sie auf einer Leiste in Gürtelhöhe ab. Als sie dann nach dem Kümmel griff, streifte sie die noch zu drei Viertel volle Cognacflasche; sie zerschellte auf dem fliesenbedeckten Boden. Die ohnehin schon muffige Luft reicherte sich mit dem Alkoholdunst ausgelaufenen Cognacs an.
    In der Tür, aus der Mrs. Pascoe aufgetaucht war, erschien nun, aus dem Hinterzimmer kommend, ein Mann. Obwohl noch nicht alt, war er doch aufgedunsen und ungesund rot im Gesicht, er stand da in Hosenträgern und einem kragenlosen Hemd. Fettige Strähnen sandfarbenen Haars waren quer über seinen wuchtigen roten Schädel gekämmt. Er troff nur so von Alkohol, so wie ein überreifer Kürbis Saft von sich gibt. Gerald folgerte, daß dies Don sein müsse.
    Der Mann war zu betrunken, um einen Satz formulieren zu können. Er schwankte in der Tür, stützte sich mit beiden roten Pranken gegen die Rahmen und mühte sich, seine Frau mit wüsten Beschimpfungen zu überhäufen.
    »Was schulde ich Ihnen?« wandte sich Gerald an Mrs. Pascoe. Es schien sinnlos, auf dem Kümmel zu bestehen.
    »Drei Shilling Sixpence«, erwiderte Mrs. Pascoe recht deutlich; Gerald entging jedoch nicht, daß sie kurz davor stand, in Tränen auszubrechen.
    Er hatte es passend. Sie drehte ihm den Rücken zu und betätigte die Registrierkasse. Als sie sich umwandte, hörte er das Knirschen von Glas; sie war auf eine Scherbe der zerbrochenen Flasche getreten. Gerald betrachtete ihren Gatten aus dem Augenwinkel. Die in sich zusammengesackte, nachgiebige Fleischmasse mit dem sabbernden Mund jagte ihm einen Schauer über den Rücken. Er empfand Mitleid.
    »Tut mir leid wegen des kleinen Unfalls«, beruhigte er Mrs. Pascoe. Er hielt das bauchige Cognacglas in der rechten Hand und schickte sich an, zu gehen.
    Mrs. Pascoe sah ihn an. Die langsam rinnenden Tränen der Verzweiflung gruben sich ihren Weg durch ihr Gesicht, doch wirkte sie nun einigermaßen nüchtern. »Mr. Banstead«, stieß sie mit matter, gehetzter Stimme hervor. »Darf ich mich wohl ein wenig zu Ihnen und Ihrer Frau in die Lounge setzen? Nur ein paar Minuten!«
    »Aber natürlich.« Er begrüßte diese Entwicklung der Dinge zwar keineswegs und fragte sich zudem, was in der Zwischenzeit wohl aus der Bar werden würde, aber er fühlte wider Erwarten Mitleid mit ihr und brachte es nicht übers Herz, nein zu sagen. Um zur Tresenklappe zu kommen, mußte sie an ihrem Mann vorbei. Gerald bemerkte, wie sie eine Sekunde zögerte; dann schritt sie entschlossen und festen Schritts voran, die Augen starr geradeaus gerichtet. Wenn der Mann sich nicht weiter abgestützt hätte, wäre er zweifellos umgekippt, doch als sie nun an ihm vorbeiging, spuckte er Schleim und Rotz aus; er war indes nicht mehr fähig zu zielen, und so glitt der Speichel an seiner eigenen Hose hinunter. Gerald hielt die Klappe für Mrs. Pascoe hoch und trat dann zurück, um ihr den Vortritt auf dem Weg zur Lounge zu lassen. Während er ihr folgte, hörte er, wie ihr Mann in unverständlichen Selbstgesprächen vor sich hin lallte.
    »Der Kümmel!« erinnerte sich Mrs. Pascoe auf der Schwelle zur Lounge.
    »Lassen Sie nur«, sagte Gerald. »Vielleicht sollte ich es einmal in einer der anderen Bars versuchen?«
    »Nicht heute nacht. Sind alle zu. Ich gehe doch besser zurück.«
    »Nein. Wir werden uns etwas anderes einfallen lassen.« Es war noch nicht einmal neun Uhr, und Gerald wunderte sich über die seltsamen Schankzeiten.
    In der Lounge jedoch bot sich ihnen eine weitere unerwartete Szene. Kaum hatten sie den Raum betreten, hielt Mrs. Pascoe inne, und Gerald, der zwischen den hohen Lehnen zweier Kunstledersessel gleichsam gefangen war, mußte über ihre Schulter blicken.
    Phrynne war eingeschlafen. Ihr

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