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Gloriana

Gloriana

Titel: Gloriana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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einen Blick mit einer kaltäugigen Echse. »Ihr habt etwas gehört?« »Gefühlt, aber das ist für mich genug.«
    »Es sieht Euch nicht ähnlich, Lady Lyst, nur einem Gefühl zu vertrauen.«
    »Dies sind nicht die Zeiten, um der Logik zu vertrauen. Je
    größer die Intelligenz, desto größer die Verwirrung. Und mein armes Gehirn ist immer verwirrt, selbst in den besten Zeiten.« Lady Lyst lächelte in spöttischer Selbstironie, dann sah sie die Königin in den Garten heraustreten und begrüßte sie mit einem Knicks. »Euer Majestät.« »Lady Lyst. Una. Ein schöner Tag.«
    »Zu heiß für mich, fürchte ich«, sagte Lady Lyst und nestelte an Manschetten und Kragen, über den honigfarbene Locken hingen. »Man ist so durstig.«
    Die drei schlenderten in die Richtung eines Brunnens mit marmorner Figurengruppe: Alexander der Große bei seiner Ankunft in der Unterwelt, begrüßt von Persephone, umgeben von Wassernymphen und Delphinen. Sie tauchten die Hände in das kühle Wasser und hoben die Gesichter in das feine Sprühwasser der Fontäne.
    »Es ist unser heißester Sommer«, sagte die Königin. »Er scheint den ganzen Palast zu infizieren und seltsame Leidenschaften zu erregen, selbst in Personen, denen man sie am wenigsten zutrauen möchte.«
    »Euer Majestät glauben, nur das Wetter erzeuge die Stimmung?« sagte Lady Lyst hoffnungsvoll.
    »Das Wetter hat mit allem viel zu tun.« Gloriana blickte zum blauen Himmel auf, beschirmte die Augen mit Hand und Spitzenmanschette. »Das ist immer meine Überzeugung gewesen, Lady Lyst. Ihr werdet sehen. Im gleichen Maße, wie das Wetter milder wird, werden auch unsere Empfindlichkeiten größerer Ausgeglichenheit Platz machen.«
    Lady Lyst strauchelte und tat, heftig mit den Armen rudernd, zwei hastige Schritte, bis sie das Gleichgewicht wiederfand und sich aufrichten konnte. »Ich bin ermutigt, Majestät.« Sie blickte umher, als halte sie nach einer Sitzgelegenheit Ausschau, oder vielleicht einer Flasche.
    Hinter den zugeschnittenen Büschen zur Rechten erscholl ein Aufschrei, und ein langbeiniges Wesen, dem Anschein nach gepanzert, rannte über den Weg, durch eine weitere Hecke und auf eine Wiese. Die Königin und ihre Damen blieben erschrocken stehen, und ihre Verblüffung nahm womöglich noch zu, als drei Männer der Palastwache in wehenden Wappenrökken und mit verrutschten Baretten auftauchten, die in wilder Verfolgung der gepanzerten Gestalt nachstürzten, die blanken Degen in den Fäusten, während ein gutes Stück hinter ihnen ein keuchender Meister Tolcharde in fleckigem Arbeitskittel in Sicht kam, das Samtbarett in der Hand, und immer wieder rief: »Halt! Wartet! Tut ihm nichts!« »Meister Tolcharde!«
    Die Stimme der Königin brachte den Erfinder stolpernd zum Stillstand, und er wandte sich mit einer fehlerhaften Verbeugung den drei Damen zu, während sein Blick noch den Wachsoldaten und ihrer Beute folgte.
    »Wer ist das, Sir?« Die Königin war hoheitsvoll, aus Gewohnheit oder vielleicht, um ihre beiden Begleiterinnen zu erheitern. »Wen verfolgen die Leute, Meister Tolcharde?« Er schnappte nach Luft und versuchte zu sprechen. Er wedelte hilflos mit den Händen, offensichtlich in höchster Not. »Majestät! Eine kleine Einstellung … mehr ist nicht nötig. Vergebt mir …«
    »Einer von Euren Gehilfen? Ein Gefangener des Thane?«
    »Nein, Majestät, kein Diener und kein Gehilfe. Ach du meine Güte!« Er war außerstande stillzuhalten, und konnte kaum erwarten, die Verfolgung fortzusetzen. Ängstlich und besorgt blickte er immer wieder zu der blitzenden, karierten Gestalt hinüber, die um eine große Eibe rannte, ein Beet mit Stiefmütterchen zertrampelte und einen der Soldaten, der ihr mannhaft den Weg vertrat, über den Haufen warf.
    »Ich dachte zuerst«, sagte Lady Lyst, »es sei Sir Tancred, der
aus dem Turm entkommen …« Sie verstummte, bestürzt über
ihren Mangel an Taktgefühl.
»Wer ist es, Sir?« fragte die Königin.
    »Ein Harlekin, Majestät.«
    »Ein Komödiant? Was hat er mit Euch zu schaffen?«
    »Er ist mein, Majestät. Von mir gemacht. Ein mechanisches Geschöpf, Majestät. Ich wollte ihn Euch in einer … Ich werde ihn Euch später vorführen, Majestät. Ich bitte Euch nur, sagt den Wachen, sie sollen ihn nicht beschädigen. Die Maschinerie ist kompliziert.«
    »Und leicht durcheinanderzubringen?« fragte die Königin belustigt.
    »Gegenwärtig noch, aber das wird in Ordnung gebracht. Wenn Ihr mich nun entschuldigen wollt, Majestät …«

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