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Gloriana

Gloriana

Titel: Gloriana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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man hat mich noch nie unschuldig genannt. Überhaupt bin ich ein bekannter Sodomiter. Alle diese Lakaien, diese jungen Männer, sind meine Liebhaber gewesen.« Ingleborough rückte in seinem Sessel und wandte den Kopf, um seine grin senden Diener anzusehen. Er war pikiert. »Unschuldig!« krächzte er, aber es war Quire gelungen, ihn zu erfreuen. »Ho, ho!« Er verzog das Gesicht, als die Schmerzen ihn zu überwältigen drohten. »Seliger Hippokrates, ich brauche deine Hilfe! He, Crozier, bring Er mir mehr Brandy.«
    Der Lakai füllte einen Zinnbecher mit Brandy und setzte ihn Ingleborough an die Lippen.
    »Ich danke«, sagte Ingleborough, nachdem er getrunken hatte. Er faßte wieder Quire ins Auge. »Ich habe zum Aufbau des neuen Albion meinen Teil beigetragen, müßt Ihr wissen. Ich habe der Königin zuliebe ein- oder zweimal gegen meine eigene Überzeugung gehandelt, um das Reich zu schützen. Und ich bin noch immer bereit, das meinige zum Schutz des Reiches zu tun. Gegen jeden Feind.«
    »Wie wir alle, denke ich. Auch ich habe den Interessen der
Königin mit Folgerichtigkeit gedient.«
»Habt Ihr das wirklich?«
    »Nun, Sir, sagen wir, daß ich Handlungen ausgeführt habe, die andere mir mit dem Bemerken nahelegten, sie wären im Interesse der Königin.«
    »Ihr habt keine Meinung dazu? Wollt Ihr das damit sagen?
Oder seid Ihr skeptisch?«
»Ich habe keine Meinung.«
»Dann seid Ihr amoralisch.«
    »Ich denke, Milord, damit habt Ihr es wahrscheinlich getroffen.« Quire lächelte erfreut, als habe er Ingleborough eine plötzliche Erleuchtung zu verdanken. »Amoralisch. Wie es ein Künstler in vielerlei Hinsicht sein muß – ausgenommen natürlich in der Verteidigung seiner Kunst.«
    »Ihr seid ein Künstler, Sir?« fragte Ingleborough interessiert. »In der Malerei? In der Bildhauerei? Oder seid Ihr ein Dramatiker? Ein Dichter? Ein Verfasser von Prosa?« »Eher das Letztere, würde ich sagen.«
    »Ihr seid sehr bescheiden. Erzählt mir mehr von Eurer
    Kunst.« In Ingleborough war unversehens eine Neigung zu diesem Quire entstanden, obgleich seine Meinung von dem Mann sein Montfallcon gegebenes Versprechen nicht außer Kraft setzen konnte. »Ich denke nicht, Milord.«
    »Ihr müßt es tun. Ihr habt meine Aufmerksamkeit, Kapitän Quire. Warum ein Talent verbergen? Sagt mir, womit Ihr Euch beschäftigt. Musik? Schauspielkunst? Oder seid Ihr, in Euren privaten Räumen, ein Tänzer?«
    Quire lachte. »Nein, Sir. Aber ich will Euch ein Beispiel meiner Kunst geben, wenn Ihr allein seid.«
    »Ausgezeichnet. Ich werde die Diener entlassen.« Er beweg
    te den Kopf ein wenig zur Seite und winkte mit der Hand, und die Lakaien ließen ihren Herrn und Quire allein.
    »Lord Montfallcon hat Euch gesagt, daß ich ihm in seiner Politik half«, sagte Quire, als hätte er das Gespräch im Thronsaal belauscht. »Er hat einen Sarazenen erwähnt und den König von Polen. Ich mühte mich in seinen Diensten mächtig ab, Milord. Ich bereiste die ganze Erde. Ich war in dem berühmten Land Panama, wo der ehemalige Sekretär der Königin nun als König herrscht. Ich setzte ihn an diese Stelle, um Albions Ziele zu fördern. Und seither haben die wilden, blutigen, gedankenlosen Sitten einer zivilisierten Rechtsprechung Platz gemacht. Ich habe Wilde immer verabscheut, wie ich alle verabscheue, die unwissend sind, die ein Beispiel der Interpretation vorziehen. Solche Gewohnheiten fördern die Entstehung von Heuchelei.« »Nicht wissentlich, Kapitän Quire.« »Natürlich nicht, Sir. Aber Aufklärung ist besser.«
    »Viel besser, Kapitän«, sagte Lord Ingleborough, um auf sei
    nen Besucher einzugehen. »So ist die Verehrung eines oder mehrerer Götter eine große Zerstörerin der Menschenwürde.« »Ganz recht. Nun, ich will meine Leistungen nicht auflisten, aber sie haben die Welt umspannt.«
    »Ihr erwähntet Eure Kunst, Kapitän Quire. Ihr wolltet mir
eine Demonstration geben.«
»Das ist meine Kunst.«
»Spionage?«
    »Wenn Ihr so wollt. Sie ist Teil davon. Politik im allgemeinen.«
    »Also habt ihr doch ein moralisches Ziel, wenn auch ein allgemeines – die Aufklärung.«
    Quire hatte aufmerksam zugehört und überdachte Lord In
gleboroughs Feststellung eine kleine Weile, ehe er sagte: »Es
mag sein, ja. Ein sehr allgemeines.«
»Fahrt fort.«
    Quires Haltung entspannte sich mehr. »Meine Kunst umschließt viele Talente. Ich arbeite direkt mit dem Stoff der Welt, während andere Künstler ihn nur darzustellen oder zu beeinflussen

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