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Gloriana

Gloriana

Titel: Gloriana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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sarazenischen Ornamenten. Quire, in Schwarz, saß auf einer Couch, die neben ihrem Sessel am offenen Fenster ihres Salons stand. Sie hatte sich hierher zurückgezogen und das Empfangszimmer verschmäht: Es gemahnte sie zu sehr an die Bittsteller, die noch immer die Audienzsäle bevölkerten, zu denen sie nach den Festlichkeiten hoffnungsvoll gekommen waren. Sie wirkte erschlafft und gleichzeitig satirisch, als mache sie sich über ihre eigene Erscheinung lustig. Doch blieb sie freundlich, lächelte jedermann zu, wenngleich ihr Lächeln von Trauer über den Tod des alten Ingleborough gefärbt war. »Aber es war unausweichlich, und ich bin froh, daß er nicht alleine starb«, hatte sie an diesem Morgen zu ihrem Liebhaber gesagt, nachdem er sie zu ihrer gegenwärtigen und neuartigen Gemütsruhe beschwichtigt hatte; dann hatte sie sein Verlangen entdeckt und befriedigt. Sie lebte ihm zu Gefallen. Sie hatte niemals einen Mann gekannt, der ihre Liebe so anmutig aufzunehmen wußte. Sein harter, gutgewachsener kleiner Körper inspirierte sie zu kreativen Leistungen, wie ein feines Musikinstrument einen Komponisten inspirieren mag. Soviel Neues, Unerwartetes fand sie in ihm, daß sie ganz zufriedengestellt war; nun konnte sie mit Leichtigkeit ihr eigenes Fleisch vergessen, denn er bemühte sich nicht, sie in Wallung zu bringen, und dafür war sie dankbar; es bewies sein Verständnis und seine Liebe. Ihre Damen, in Kleidung und Stimmung der Königin angepaßt, gemahnten an die kichernden Aufwartefrauen eines indischen Harems und fanden Quire, dem sie einen Großteil ihrer Aufmerksamkeit zuwandten, sehr merkwürdig. Als John Dee in einem weißen, mit goldenen Pentagrammen bestickten Umhang in den Salon trat, zogen die Damen sich in ein Nebenzimmer zurück. Dee war blaß und schien an körperlichen Beschwerden zu tragen, aber sein Kopfnicken zu Quire war nicht bloß freundlich, und vor der Königin verneigte er sich tief und mit einer höfischen Eleganz, die ihm früher nicht eigen gewesen war. »Euer Majestät. Ich habe Lord Montfallcon gehorcht, wie Ihr es von mir wünschtet. Auch andere Ärzte waren zugegen, denn wie Ihr wißt, ist er argwöhnisch gegen mich. Der Leichnam wurde geöffnet und der Mageninhalt untersucht. Bis auf Brandy war nichts darin. Er hatte in den letzten vierundzwanzig Stunden vor seinem Tode nichts gegessen. Nicht eine Spur von Gift, nach Farbe, Geruch und allgemeinem Zustand zu urteilen.«
    Sie bewegte ihren Fächer, als gelte es die Vorstellung fortzuwedeln, die er heraufbeschworen hatte. »Ich danke Euch, Dr. Dee.«
    »Meiner Meinung nach, Majestät, ist Lord Montfallcon intrigensüchtig geworden. Ihn verlangt nach Verrätern, wie einen Hund nach Ratten; er lebt nur, um sie zu jagen.«
    »Lord Montfallcon beschützt das Reich. Er tut seine Pflicht, Dr. Dee, wie er sie sieht.« Die Königin ließ sich nur zu einer matten Verteidigung herbei.
    John Dee fuhr sich mit den Fingern durch seinen schneeigen Bart und schnaubte: »Die Räder seines Verstandes drehen sich wie diejenigen einer Uhr ohne Pendel.«
    »Lord Ingleborough war sein ältester Freund. Er trauert. Und in seiner Trauer sucht er einen Bösewicht, der das Schicksal personifizieren muß, das uns alle betroffen hat.« Mitgefühl färbte die Stimme der Königin. »Darum richtet er seine Auf merksamkeit auf den, der in seinen Augen am meisten verdächtig ist – den Fremden am Hof. Den Neuankömmling. Kapitän Quire.«
    »Er wünschte Ingleborough vergiftet zu finden, und nun ist er bestürzt.« Dee warf Quire einen freundschaftlichen Blick zu. »Er ist eifersüchtig auf Euch, Kapitän, und möchte Euch wohl gern jedes Verbrechens im Land schuldig sprechen.«
    Quire zuckte die Achseln und sagte mit einem wehmütigen Lächeln: »Er meint mich zu kennen. Das sagte er mir.« »Er kann Euch nicht kennen, Sir«, erwiderte Dee mit tiefem Ernst, »ist es doch erst wenige Monate her, seit Ihr in Meister Tolchardes Triumphwagen zu unserer Sphäre gekommen seid.«
    Quire machte es sich auf der Couch bequem. »So sagt Ihr, Dr. Dee.« Für Dee gab er in dieser Frage Amnesie vor. Doch paßte es ihm ebenso wie der Königin, daß er in Albion keine Vergangenheit haben sollte.
    Die mit geschnitzten Rosen verzierte Tür des Salons wurde geöffnet, und ein Lakai machte seine Ehrenbezeigung. »Euer Majestät, Sir Thomasin Ffynne steht zu Euren Diensten.« »Er wird erwartet.« Gloriana schloß den Fächer und streckte die Hand aus, als Tom Ffynne hereingehumpelt

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