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Gloriana

Gloriana

Titel: Gloriana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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zuckte mit einer Schulter. »Mich ermorden? Mit so vielen Zeugen?«
    »Natürlich nicht. Ich bin am Hofe nicht hinreichend eta
bliert.«
»Aber Eure Gebärde war berechnet.«
    »Ich versprach, ein Beispiel meiner Kunst zu geben.« »Ja, das tatet Ihr.«
    Quire blickte in die stille Dämmerung des Innenhofes hinaus, wo nur der kleine Springbrunnen plätscherte. »Nun, ich habe Euren Pagen gefangen.«
    »Ihr habt Patch!?« Lord Ingleborough hob die geschwollenen, knotigen Hände an sein Gesicht. »Ah!«
    »Ich versicherte mich seiner, sobald ich von Eurem Vorhaben wußte. Ich habe diesen Nachmittag mit ihm gespielt.« Seine Hand berührte den Dolch. »Er gehört mir. Und wird wieder Euch gehören, wenn Ihr Stillschweigen schwört, soweit es mich betrifft.«
    »Nein.« Ingleborough zitterte, und seine Stimme war fast unhörbar. »Oh, ich werde es nicht tun.«
    »Kein Haar wird ihm gekrümmt. Aber wenn Ihr Eure Absicht
wahrmacht, wird er sterben.«
»Nein.«
    »Ihr habt zugegeben, daß Ihr keine Beweise gegen mich besitzt. Die Königin wird welche verlangen. Sie wird den Wunsch haben, sich den Freund, den sie in mir hat, zu erhalten. Das könnt Ihr Euch vorstellen, Milord.«
    »Natürlich. Aber ich muß meine Pflicht tun – nun erst recht.
Ich muß die Königin warnen.«
»Dann wird Patch anfangen zu sterben.«
    »Verschont ihn«, sagte Ingleborough mit einer Stimme wie weit entfernter Wind. »Ich bitte Euch. Ihr würdet keinem Zweck dienen, wenn Ihr Patch etwas zuleide tätet. Ich liebe ihn.« Kapitän Quire zog den schmalen Dolch aus der Scheide und hielt ihn in der behandschuhten Faust. »Schon hat mein kleiner Puddingstecher den kleinen Fleischpudding des armen Patch gestochen. Erhitzt und eingeführt – so … Wahrhaftig, er wird den altehrwürdigen, berühmten Sodomitertod sterben.« Lord Ingleborough ächzte.
    »Versprecht mir Stillschweigen, Milord – von Patch ebenso
wie von Euch, natürlich –, und Euer Page soll Euch zurückge
geben werden.«
»Nein.«
    »Ihr haltet zäh an einem Worte fest, das Ihr nur widerwillig gegeben habt – und liefert Euren Liebling dem Entsetzen und der Qual eines langsamen Todes aus.«
    Lord Ingleborough weinte. Der linke Mundwinkel zuckte.
    Quire straffte seine Haltung. »Soll ich ihn holen gehen, Milord?«
    »Bringt ihn einfach zurück, Quire«, sagte er undeutlich.
»Und?«
»Bringt ihn zurück, ich bitte Euch.«
»Ihr werdet Stillschweigen bewahren?«
»Nein.«
»Dann muß auch ich mein Wort halten. Was immer ge
schieht, ich werde Euch ein Erinnerungsstück bringen. Ein
Auge? Oder eine zarte, winzige Hode?«
»Bitte, verschont ihn.«
»Nein.«
»Ich liebe ihn.«
»Darum habe ich ihn gefangen.«
    Ingleborough begann zu zittern. Sein Mund öffnete und schloß sich mehrere Male rasch hintereinander. Er riß die Augen auf, und seine Gesichtsfarbe wurde dunkelrot, dann bläulich.
    Kapitän Quire erkannte mit einigem Vergnügen die Symptome. »Langsam, Milord. Euer Herz versagt.« Er nahm den Brandy vom Tisch und entzog ihn der Hand, die danach griff. »Häufig ist es das Herz, das zuerst versagt, wenn Menschen an Gebrechen leiden, wie sie Euch befallen haben. Ein Onkel von mir … Nein, nein, Brandy kann nur schaden. Wollt Ihr sterben, ohne Patch zu retten? Patch muß umkommen, wenn Ihr nicht mehr seid, um Stillschweigen zu erzwingen. Sagt es mir, Milord.«
    Ingleborough stieß wimmernde Geräusche aus. Er sperrte den Mund auf, weit und immer weiter, als würde er erdrosselt. Seine Zunge kam hervor. Die Augen quollen aus den Höhlen. Quire wandte sich zur Tür und rief mit großer Dringlichkeit und Sorge in der Stimme: »Heda, Leute! Schnell, Euer Herr ist krank!«
    Die Lakaien ließen auf sich warten, denn sie hatten mehrere Räume weiter Karten gespielt.
    Sie fanden Quire fieberhaft bemüht, ihrem Herrn Brandy einzuflößen. Crozier war es, der Quire schließlich den Becher aus der Hand nahm und bekümmert sagte: »Es ist zu spät, Sir. Er ist tot. Ich glaube, er starb glücklich. Ihr habt ihn sehr aufgeheitert, Sir. Aber vielleicht war die Anregung zuviel für ihn.« »Ich fürchte, Er hat recht«, stimmte Quire ihm zu.

    DAS SECHSUNDZWANZIGSTE KAPITEL

    In welchem die Königin mehrere Höflinge empfängt und zu einer
Entscheidung gelangt

    Ihr Kleid, das eine Antwort auf die große Hitze des Tages war, aber auch ihre Stimmung kundtun sollte, war von orientalischen Formen beeinflußt – schimmernde Seide und Baumwollschleier, viele Perlenketten und Goldschmuck mit

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