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Gloriana

Gloriana

Titel: Gloriana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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und zu ihrer Linken saß Dr. Dee, ihr Hofastrologe und Berater in philosophischen Fragen, ein nachdenklicher Mann mit schmalem Gesicht, einer Adlernase und weißem Bart, angetan mit einem braunen Umhang und passender brauner Kappe, eine aus Pentagrammen bestehende goldene Kette um den Hals. Neben Lord Montfallcon Sir Orlando Hawes, der Mohr, dünn und verkniffen, in einfachem Dunkelblau mit einem sparsamen hellblauen Spitzenkragen, einer silbernen Kette, den Blick der kleinen schwarzen Augen auf seinen Papieren, ihr Oberschatzmeister; ihm gegenüber, steif wie eine Statue, geplagt von Gicht, ohne sich den Schmerz anmerken zu lassen, ein rotgesichtiger und strenger alter Mann, Albions berühmtester Seefahrer, Lisuarte Armstrong, Vierter Baron von Ingleborough, Großadmiral von Albion, in purpurnem Samt und weißen Spitzen, eine schwere Kette wie die eines Ankers um den Hals, die Augen blaugrau wie das Nordmeer. Der nächste auf der rechten Seite war Gorius, Lord Ransley, Großhofmeister von Albion, in Halskrause und golddurchwirkten Spitzenmanschetten, einem wattierten Wams von tiefem Rostbraun, die Amtskette geschmückt mit Rubinen; dann Sir Amadis Cornfield, Verwalter des Staatsschatzes und der königlichen Privatschatulle. In weiß und blau gestreifter Seide, karmesinrot gefüttert, mit einem breiten Leinenkragen und gleichen Manschetten, einer dünnen, feingearbeiteten silbernen Amtskette, die zu den silbernen Knöpfen seines Überrocks paßte, war er ein stattlicher, ironisch lächelnder, dunkelhaariger Edelmann, der seine Pflichten ernst nahm. Er schien ein Detail des bunten Glasfensters zu studieren, das er bisher nicht bemerkt hatte. Ihm gegenüber saß Sir Vivien Rich, dick und haarig, in grobgewebtes Tuch gekleidet, das ihn, den Großkämmerer der Königin, ein wenig bäuerisch erscheinen ließ. Neben Sir Amadis saß Dr. Florestan Wallis, der berühmte Gelehrte, ganz in Schwarz, der auf eine Kette als Zeichen seiner Würde verzichtete und an ihrer Statt ein kleines Abzeichen an der Brust trug. Das dünne, glatte Haar hing ihm bis auf die Schultern, und die vollen Lippen schienen ständig von einem leise ironischen Lächeln gekräuselt. Er war Kronanwalt, juristischer Berater der Königin, Sekretär für öffentliche Verlautbarungen und schrieb kleine Stücke, die bei Hofe aufgeführt wurden. Das nächste Paar waren Perigot Fowler, der Oberstallmeister, in Dunkelbraun, und Isador Palfreyman, Kriegsminister, in Blutrot. Beide bärtig, beinahe Zwillinge. Und schließlich zur Rechten Sir Auberon Orme, Obergewandmeister, in etwas unzeitgemäßem Lila und Grasgrün, mit einer riesigen Halskrause, welche die Länge seiner Nase, die Kleinheit seines Mundes und die Röte in seinen Augen betonte; und zur Linken Marcilius Gallimari, ein dunkelhaariger, belustigter Neapolitaner mit einem geschlitzten, puffärmeligen Wams in fast so vielen Farben wie das Fenster; sein Haar war gewellt, und er trug einen Brillanten im rechten Ohr, einen Smaragd im linken; er hatte einen dünnen Spitzbart und die Spur eines Schnurrbarts und war Leiter der Hoflustbarkeiten.
    Die Königin lächelte. »Es herrscht heute morgen eine so leichte, fröhliche Atmosphäre hier im Staatsrat. Darf ich annehmen, daß der gestrige Festtag andauert?«
    Montfallcon erhob sich mit unheilvoller Miene. »In den meisten Angelegenheiten, Euer Majestät. Die Welt ist ruhig wie das Grab, zumindest heute. Aber Sir Thomasin Ffynne bringt Neuigkeiten …«
    »Ich weiß. Ich werde ihn empfangen, sobald diese Besprechung beendet ist.«
    Ein bedeutsames Grunzen. »Dann ist Euer Majestät bekannt,
was er zu sagen hat?«
»Noch nicht, Lord Montfallcon.«
    »Nun laßt Euch nicht lange bitten, verehrter Lordkanzler!«
    sagte Dr. Dee, sein alter Rivale. »Ihr macht so unheilvolle Andeutungen, daß man meinen möchte, der Weltuntergang stehe endlich bevor! Seid Ihr unzufrieden, weil Albion gegenwärtig nicht bedroht wird? Soll ich die Zeichen deuten, den Talmud befragen? Soll ich Euch ein Unheil beschwören? Ein paar Teufel aus Flaschen entlassen, eine düstere Zukunft in den Sternen finden, uns alle mit Reden über die möglichen Verhältnisse ängstigen, die uns drohen mögen, sollte diese Warnung nicht befolgt oder jene ignoriert werden?« Da sie fast ohne Klangfarbe war, weckte seine Stimme in manchen Leuten stets Argwohn, er spreche ironisch, wie er es jetzt tat; von anderen wurde er beinahe immer buchstäblich genommen. So umgab er sich mit mehr Zwiespältigkeit, als

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