Gloriana
bedenke ich nicht so sehr die unmittelbaren Probleme, als vielmehr jene möglichen späteren. Arabien und Polen würden eine seltsame Allianz ergeben, aber keine unmögliche. Sie teilen sich in Küstenstreifen des Mittelmeeres, doch wird der Eingang zu diesem von Iberia beherrscht, das sich wiederum mit Arabien gegen uns verbünden könnte …« »Ach, die Windungen Eures Denkens, Sir!« sagte Sir Orlando Hawes und hob die schwarze Hand, als gelte es einen Angriff abzuwehren. »Bringen sie nur mich in Verwirrung?« Aber er sprach höflich, denn er gehörte zu den Bewunderern des Lordkanzlers.
»Sie verwirren uns alle, ausgenommen den Lordkanzler selbst, denke ich«, sagte die Königin. »Dennoch respektiere ich seine Besorgnisse, denn er hat mehr als einmal wichtige Bedrohungen des Reiches vorausgesehen. Wir müssen es Eurer Diplomatie überlassen. Und ich werde jede Eurer Entscheidungen unterstützen.«
Eine tiefe Verbeugung. »Ich danke Euch, Majestät. Ich bin beinahe gewiß, daß die Angelegenheit sich selbst erledigen wird.«
»Die Schuld an diesen Schwierigkeiten liegt allein bei mir. Die Briefe wurden geschrieben, als … ich mit so vielen anderen Problemen beschäftigt war … Es scheint …«
»Die Königin braucht sich nicht zu erklären«, sagte Lord Montfallcon mit fester Stimme.
»Dieser König von Polen wird von manchen als eine Art Hanswurst angesehen, wie ich höre«, sagte Lisuarte Ingleborough. »Oder wenigstens als ein Exzentriker. Seltsam, daß er keine Abgesandten schickte. Hätte er das getan, so wäre uns diese Überraschung erspart geblieben.«
»Lord Ingleborough spricht die Wahrheit, soweit ich es verstehe.« Tom Ffynne befingerte die Federn des Hutes in seiner Hand. »Graf Korzeniowski – wenn ich mich an seinen fremdartigen Namen richtig erinnere – sagte das gleiche, obschon nicht direkt. Sein Herr versteht sich wenig auf die Staatskunst und ist vorwiegend mit Musik und den schönen Künsten befaßt. Mit einem Wort, der Hof ist ganz und gar dekadent. Daneben gibt es in Polen ein Parlament, das die Interessen der Gemeinen und des Adels gleichermaßen vertritt, und dieses trifft alle Entscheidungen für den König. So heißt es wenigstens, Euer Majestät.« Der kleinwüchsige Admiral gestattete sich ein hohes, glucksendes Lachen. »Ein seltsames Land, das einen König hat und ihn nicht gebraucht, nicht wahr?«
Königin Gloriana lächelte ein wenig versonnen. »Nun, wir danken Euch sehr für diesen Dienst, Sir Thomasin. Habt Ihr weitere Nachrichten? Von Euren eigenen Unternehmungen in den westindischen Gewässern?«
»Der goldene Ballast half uns sicher durch die Stürme, Euer Majestät, und erwartet Eure Verfügung am Kai von Charing Cross, in den Laderäumen der Tristan und Isolde .«
»Habt Ihr ein Verzeichnis, Sir Thomasin?« fragte Sir Orlando Hawes mit einem beinahe warmen Lächeln.
»Freilich, Sir.« Tom Ffynne humpelte näher, zog eine Papierrolle aus dem Gürtel und reichte sie Königin Gloriana mit einer tiefen Verbeugung. Sie entrollte das Dokument, überflog es aber nur mit einem flüchtigen Blick.
»Genug, um ein ganzes Geschwader von Schiffen zu bauen und auszurüsten!« Sie rollte das Verzeichnis zusammen und reichte es Lord Montfallcon, der es an Sir Orlando weitergab. »Würdet Ihr den zehnten Teil unter Euch selbst und Eurer Mannschaft verteilen, Sir Thomasin?« »Ihr seid großzügig, Majestät.«
»Ein Zehntel davon!« Die Nasenflügel des Oberschatzmeisters blähten sich gleich den Nüstern eines verschreckten Hengstes. »Das ist zuviel! Ein Zwölftel, Euer Majestät …« »Für so viele Wagnisse und Lebensgefahren?«
»Sehr wohl, Majestät.«
Die Königin überblickte den Tisch. »Meister Gallimari. Sind für alle Veranstaltungen des heutigen Tages Unterhaltungen vorbereitet?«
»Gewiß, Euer Majestät. Während des Mittagsmahles wird die Hofkapelle unter Meister Pavealli einige Divertimenti …« »Sehr schön. Gewiß wird auch die übrige Auswahl dem jeweiligen Anlaß gemäß sein. Und das Kleid für den Abend ist fertig, Meister Orme?« »Bis zum letzten Knopf, Majestät.«
»Und Ihr, Sir Wallis, habt meine Ansprache für den heutigen Nachmittag vorbereitet?«
»Zwei, Euer Majestät – eine für die ausländischen Gesandten und eine für Londons Bürgermeister.«
»Und was die heutigen Speisefolgen angeht, so werde ich wohl keine Entscheidungen treffen müssen. Übrigens, Sir Vivien, ich bedaure, daß wir bis nächste Woche nicht in der Lage
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