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Glück, ich sehe dich anders

Glück, ich sehe dich anders

Titel: Glück, ich sehe dich anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Ahrens
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verschlechtert hatten. Ich ahnte nichts Gutes. Louise musste sofort eine Bluttransfusion bekommen. Ich fragte die Ärztin, ob Louise Leukämie haben könnte. Sie nickte zögernd und meinte, es würde gar nicht gut aussehen. Genaueres könne sie aber nicht sagen. Dazu müsse unser Kind in eine Spezialklinik.

EINE SCHALLENDE OHRFEIGE
    A m nächsten Tag wurde Louise in die Abteilung für Kinderonkologie und Hämatologie einer Kinderklinik überwiesen. Der Verdacht auf Leukämie bestätigte sich kurz darauf. Louise hatte eine akute lymphatische Leukämie, die Heilungschancen lagen bei achtzig Prozent. Die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls nach der Behandlung sollte sehr gering sein. Aber was sagte diese Prozentzahl schon aus? Außerdem trauten wir Formulierungen wie »geringe Wahrscheinlichkeit« nicht mehr. Zu oft hatte uns das Schicksal eines anderen belehrt.
    Die Diagnose war wie eine schallende Ohrfeige. Als hätte mir jemand mit voller Wucht ins Gesicht geschlagen.
    Mehr ging nun nicht mehr. Zwei geistig behinderte Kinder, davon eines zusätzlich an Leukämie – ja, an Krebs! – erkrankt.
    Zusätzlich wurde Rolf sein Arbeitsplatz gekündigt. Offiziell wegen Arbeitsmangel, aber ich war mir sicher, dass man ihn für nicht mehr tragbar hielt, weil er das eine oder andere Mal einen Tag Urlaub oder Sonderurlaub für die Belange unserer Kinder eingereicht hatte. Ich konnte mich zeitweise aber nicht allein um all die Probleme mit den Kindern kümmern, die sich vor mir auftaten, und es war einfach unmöglich, eine Nachbarin oder gar meine Eltern oder Schwiegereltern zu Untersuchungen mit den Kindern zu schicken. Später stellten wir fest, dass die Kündigung uns eigentlich gelegen kam. Rolf war während der Arbeit in dem Betrieb immer unzufriedener geworden und häufig mit Migräneattacken nach Hause gekommen, hatte dunkle Augenränder gehabt. Es war wiederholt zu Streitigkeiten mit seinem Vorgesetzten gekommen, wenn er um Urlaub gebeten hatte. Der Chef hatte kein Verständnis für unsere Lage. Er setzte Rolf damit unter Druck, dass der Firma die Kunden wegliefen, wenn die Arbeiten nicht erledigt werden würden. Rolf fragte, ob es nicht möglich sei, eine weitere Kraft zur Vertretung einzustellen, denn er war als einziger Bauklempner in diesem Betrieb tätig. Es konnte auf Dauer einfach nicht so weitergehen, denn auch Urlaub stand ihm nur sehr begrenzt zu. Seine Kollegen konnten seine Arbeiten nicht mit ausführen. Anfangs hatte Rolfs Chef ihm immer wieder zu verstehen gegeben, er wäre ein guter Arbeiter, er könne in der Firma »alt werden«. Der Firmeninhaber hatte zuerst förmlich Angst, dass mein Mann sich eine andere Arbeit suchen könnte. Aber plötzlich, nachdem sich unsere Familiensituation so dramatisch zugespitzt hatte, wollte er ihn anscheinend loswerden. Wir gingen mit der Angelegenheit zu einem Rechtsanwalt und auch an die Öffentlichkeit. Wir schalteten die örtliche Tageszeitung ein. Sie brachten einen großen Bericht über unsere Familiensituation. Leider kam der Chef von Rolf viel zu gut davon. Es wurde zwar erwähnt, dass Rolf der Ansicht war, wegen unserer belastenden Familienproblematik und dem Fehlen im Betrieb gekündigt worden zu sein, sein ehemaliger Arbeitgeber jedoch äußerte sich der Presse gegenüber natürlich anders. Er behauptete, dass er keine Arbeit mehr gehabt hätte und auch anderen im Betrieb hätte kündigen müssen. Erwähnt wurde jedoch nicht, dass alle Mitarbeiter, denen gekündigt worden war, kurz darauf wieder ihre Arbeit aufnehmen konnten, und lediglich Rolfs Arbeitsplatz mit einem neuen Mitarbeiter besetzt wurde.
    Als Rolf die Kündigung erhielt, war ich zunächst verzweifelt. Was passierte jetzt mit uns? Zwei behinderte Kinder, eins davon an Krebs erkrankt, und der Vater, der Alleinverdiener, arbeitslos? Ich wusste manchmal nicht, was ich mir wünschen sollte. Lieber keine Kinder und einen Mann, der Arbeit hat? Nein, ich wollte, dass Louise den Krebs überwand.
    Schon bald nach der Diagnose musste Louise operiert werden. Sie bekam einen so genannten Port gelegt, über den die Infusionen der Chemotherapien laufen würden. Ich hatte Angst vor dieser Operation.
    Leider durften wir nicht beide im Krankenhaus bleiben, da die Kinderkrebsstation pro Familie jeweils nur einen Elternteil mit aufnehmen konnte. Also verbrachte ich die erste Nacht mit Louise allein in dieser Einrichtung.
    Am Tag der OP wurde Louise um sieben Uhr morgens aus ihrem Zimmer geholt und für die Operation

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