Glück, ich sehe dich anders
und Loreen zusammen füttern könne. Ich konnte das nicht glauben. Im Pflegeheim erhielt jeder Patient seine Pflegestufe auf sich allein berechnet, und bei uns wurde zusammengefasst. Ich fragte mich, ob das alles überhaupt der Mühe wert war, denn Heber hätte ich diese Zeit sinnvoller mit meinen Kindern verbracht!
Baden zum Beispiel durften die Kinder gar nicht zusammen, da Louise noch ihre Chemomedikamente einnahm. Wenn sie ins Badewasser urinierte, dann konnte das für Loreen gesundheitliche Folgen haben. Schließlich wurde uns mehrfach gesagt, die Ausscheidung der Stoffe sei Krebs erregend. Sie dürften nicht lange in der Windel bleiben, und es wäre besser, das Kind mit Handschuhen zu wickeln. Anders herum hatte Loreen häufig Infektionen im Scheiden- oder Blasenbereich und war häufig wund am Po. Das wiederum barg für Louise, die eine schwache Immunabwehr hatte, eine Ansteckungsgefahr. Aber der Gerichtsgutachter notierte trotzdem, dass die Kinder zusammen gebadet werden könnten. Die Gerichtsentscheidung dauerte wieder endlos, und bald waren über zwei Jahre vergangen, bis sie zu dem Urteil gekommen waren, dass Loreen noch zu klein war, um in eine höhere Pflegestufe zu kommen.
Schließlich hatte der Richter zwei gesunde Kinder, und die brauchten auch dringend die Hilfe beider Elternteile, und das könne man ja absolut mit unserer Situation vergleichen.
Die vorherigen Anträge auf Einordnung in eine höhere Pflegestufe, auf eine Haushaltshilfe, Kuren und anderes hatten wir bisher – wenn auch nach zähen Auseinandersetzungen und langen Monaten des Wartens – durchboxen können, aber dieser Antrag auf eine höhere Pflegestufe für Loreen wurde abgelehnt.
Wir ließen uns davon aber nicht entmutigen, wir würden auch in Zukunft mit der gleichen Kraft für ein möglichst unbeschwertes Leben unserer Kinder und für unser Zusammenleben kämpfen. Wir waren nun einmal auf Hilfen angewiesen.
KLUGE LOUISE
W eihnachten 2002 waren wir mit der ganzen Familie zusammen bei meinen Schwiegereltern in Wrohm. Meine Schwester Sammy kam ebenfalls mit ihrem Freund Matthias. Er verkleidete sich später als Weihnachtsmann. Als er an der Tür klingelte, rannten unsere beiden Mädchen sofort hin. Sie öffneten, und Louise kreischte und juchzte vor Aufregung und Freude. Ungeduldig schubste sie Loreen ins Wohnzimmer. Es konnte ihr gar nicht schnell genug gehen. Los, Weihnachtsmann, Geschenke her! Der Weihnachtsmann hatte einen großen Sack dabei, der gut gefüllt aussah.
Und tatsächlich, für jeden hatte er etwas mitgebracht. Louise sagte, so gut sie konnte, ein Gedicht auf. »Lieber, lieber Gutermann, was schaut du so böse aus. Steck Rute ein, du musst artig sein!« Mama sang ein Lied, Opa erzählte eine Geschichte. Jeder packte neugierig sein Geschenk aus. Auf einmal zupfte Louise am Mantel des Weihnachtsmanns und rief: »Du Maggiassss!«
Louise hatte den Weihnachtsmann enttarnt. Wir waren völlig überrascht. »Aber nein, das ist doch der Weihnachtsmann!«, versuchte immer mal wieder einer von uns, Louise zu überzeugen. Aber sie beharrte auf ihrem Urteil. Auch als der Weihnachtsmann das Haus verließ und alle ihm zuriefen: »Tschüss, Weihnachtsmann. Bis zum nächsten Jahr!«, rief Louise ganz aufgeregt: »Schuuss, Maggiassss!« Es musste wohl für das nächste Jahr ein anderer Weichnachtsmann her.
Louise hatte sich gut entwickelt und viel gelernt. Bei der Weihnachtsfeier unseres Dorfes hatte sie sogar bei einer Aufführung mitgemacht. Die Kinder der Grundschule sangen Lieder und trugen Gedichte vor. Louise stellte sich mitten in die Gruppe und machte ganz artig mit. Sie klingelte mit ihrer Glocke, griff sich den Liederbogen, hielt ihn verkehrt herum vor ihr Gesicht und tat, als würde sie die Zeilen ablesen. Wie die anderen sang sie mit. Es war ein Schritt in ein fast normales Leben.
Mit Abschied vom alten Jahr näherten wir uns auch dem heiß ersehnten Ende der Leukämietherapie. Im Februar 2003 sollte diese abgeschlossen werden. Auch die Therapien – Krankengymnastik oder Frühförderung – waren dann vorbei. Endlich. Sie hatten uns so lange begleitet, sie waren notwendig und hilfreich, aber auch anstrengend. Und sie erinnerten immer an Kranksein und Anderssein. Die Therapeuten hatten großen Anteil, Louise und Loreen die ersten Schritte in ihr Leben zu erleichtern. Aber nun wollten wir damit abschließen und uns auf einen neuen Lebensabschnitt konzentrieren.
ZURÜCK IN DEN ALLTAG
N och lange zehrten wir von der
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