Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Glück, ich sehe dich anders

Glück, ich sehe dich anders

Titel: Glück, ich sehe dich anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Ahrens
Vom Netzwerk:
erholsamen Kur. Wir hatten eine Ferienwohnung für uns allein gehabt, ruhig gelegen, bekamen Frühstück, Mittagessen und Abendbrot serviert, mussten keinen Hausputz durchführen, die Kinderbetreuung war bestens organisiert, für Rolf und mich gab es Massagen, Schwimmen, Wandern, Skilaufen und heißen Kakao mit Schlagsahne zu Käsekuchen auf der sonnendurchfluteten Terrasse mit Blick auf die verschneiten Berge und den knallblauen Himmel. Die drei Wochen waren viel zu schnell vergangen.
    Die Rückkehr in den Alltag fiel uns schwer. Rolf musste um fünf Uhr aus dem Haus, kam abends zwischen 18 und 19 Uhr, manchmal auch erst nach 21 Uhr von der Arbeit zurück. Die Kinder standen mit mir um 5.30 Uhr auf. Louise konnte sich noch nicht selbstständig anziehen oder waschen, zwei »Babys« mussten von mir versorgt werden. Um 7.15 Uhr gingen wir aus dem Haus, ich lieferte die Kinder beim Kindergarten ab, dann fuhr ich ins Büro. Nach der Arbeit machte ich kleinere Besorgungen und holte die beiden im Anschluss wieder ab. Die Mädchen bekamen dort gelegentlich Mittagessen, was ich nach und nach regelmäßiger werden lassen wollte. Bis zum frühen Abend erledigten wir dann größere Einkäufe, nahmen Termine bei Ärzten wahr oder besuchten Freunde mit Kindern oder Rolfs Eltern. Gegen 17 Uhr bereitete ich das warme Abendessen vor, sodass wir, sobald Rolf von der Arbeit kam, zusammen essen konnten. Nachdem wir die Kinder zu Bett gebracht hatten, setzten wir uns noch aufs Sofa, schliefen dort aber meist vor lauter Müdigkeit schon im Sitzen ein und gingen zwischen 20 und 21 Uhr ins Bett, um fit für den nächsten Tag zu sein. Wir mussten uns an die Umstellung, dass wir beide arbeiteten und die Kinder in den Kindergarten gingen, erst gewöhnen. Ich fragte mich, was anstrengender ist: zu arbeiten und die Kinder zu versorgen oder mit den Kindern zu Hause zu sein und Therapien zu erledigen. Beides hatte seine Vor-und Nachteile. Ich musste es noch herausfinden.
    Im Büro gab es bald den ersten Konflikt. Weil ich einmal im Monat mit Louise in die Kinderkrebsambulanz zur Blutkontrolle fahren musste, nahm ich mir dafür oft einen Tag unbezahlten Urlaub. Da ich nach Tarif bezahlt wurde, stand mir für solche Notfälle eine gewisse Anzahl freier Tage zu, die ich dafür nutzen wollte. Warum sollte ich die bezahlten Urlaubstage, die mir zustanden, alle für die Erkrankungen der Kinder verbrauchen? Ich wollte schließlich, wie jeder andere Arbeitnehmer auch, die freie Zeit – oder wenigstens einen Teil davon – dazu nutzen, mich zu erholen; und die unbezahlten Urlaubstage glich die Krankenkasse zudem mit einer Erstattung aus.
    Ich hatte den Eindruck, es war dem Betrieb nicht recht, dass ich es so regelte. Aber ich verdrängte mein schlechtes Gewissen und dachte an meine Rechte. Ich nahm teils meinen eigenen Urlaub, teils die freien Tage, die mir dafür zustanden. Würde es diese Möglichkeit nicht geben, könnten solch überlastete Eltern wie wir gar nicht arbeiten gehen.

RÜCKFALL
    Z u meinem zweiunddreißigsten Geburtstag im Mai 2003 hatte ich unsere Familien, Freunde und Nachbarn zu einem Brunch eingeladen. Für zwanzig Personen waren die Tische gedeckt. Am Vormittag klagte Louise schon über Beinschmerzen. Sie konnte vor Schmerzen nicht laufen. Zur Sicherheit fuhr Rolf mit ihr in die nahe gelegene Kinderklinik, um ein Blutbild machen zu lassen. Die Werte waren bei der Kontrolle in der Woche zuvor zwar nicht gut gewesen, aber alles hatte eher auf einen Infekt hingedeutet.
    Als Rolf zurück war und unsere Gäste und wir gerade unsere Teller füllten, klingelte das Telefon. Ein Arzt der Klinik war am Apparat. Das Blutbild sei gar nicht gut, teilte er uns mit. Ein Wert, der darauf hindeute, dass bestimmte Zellen zerfallen, sei erhöht. Ein sofortiges Telefonat mit der Kinderkrebsklinik ließ dann aber doch noch hoffen, dass Louise das Pfeiffersche Drüsenfieber haben könnte, welches Rolf zwei Wochen zuvor gehabt hatte. Wir brachen die Feierlichkeiten ab, weil uns nicht mehr nach Feiern zumute war. Wir sollten Louise am nächsten Tag in der Kinderkrebsklinik vorstellen. Die Nacht war unruhig, Erinnerungen an die zurückliegende schwere Zeit wurden wach. Louise war blass und weinerlich.
    Die Untersuchungen am nächsten Tag gaben aber immer noch keinen weiteren Aufschluss. Die Werte waren zwar stabiler als in der Kinderklinik, diese Abweichungen könnten aber durch Laborverschiebungen zustande gekommen sein, sagte man uns. Rolf fuhr nach

Weitere Kostenlose Bücher