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Glück, ich sehe dich anders

Glück, ich sehe dich anders

Titel: Glück, ich sehe dich anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Ahrens
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Hause, und ich blieb mit Louise in der Klinik. Weil es Wochenende war, konnten spezielle Untersuchungen erst am nächsten Tag gemacht werden.
    Als die Ärztin uns bereits am Morgen in ihr Sprechzimmer bat, hatte ich gleich diese Ahnung, dass sie etwas gefunden hatten. Und tatsächlich, drei Monate nach Ende der Krebstherapie stellte man erneut Leukämie bei Louise fest. Wir hatten uns etwas vorgemacht. Wir hatten an das Gute geglaubt, nun war es – wieder einmal – anders.
    Ich meinte, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Das, wovor ich am meisten Angst hatte, war eingetreten. Mit einem Mal schien mir alles verloren. Ich konnte erst einmal nicht über den Leukämie-Rückfall sprechen. In mir waren so viele widerstreitende Gefühle und eine unendlich große Sorge um Louise. Wir mussten wieder zur Chemo, alles fing von vorn an … In dieser Zeit begann ich Briefe an mein Kind zu schreiben.
    Louise, geliebte Louise!
Ich möchte dir so viel sagen. Wir bangen und kämpfen um dich uni deinen kleinen Körper. Halte durch, kleine Maus! Du erhellst unser Leben so sehr. Werde bitte wieder gesund. Niemals würdest du jemandem etwas Böses antun. Warum wirst du so bestraft? Gerade du, die leben will und so viel Freude hat und immer gut gelaunt ist. Niemand kann uns auf die Frage eine Antwort geben. Die Zeit wird es jetzt mit sich bringen. Du schaust mich so verzweifelt mit deinen treuen Augen an, bist eingeschüchtert von den vielen Untersuchungen, die durchgeführt werden. Du willst nicht mehr laufen, nicht mehr tanzen, nicht mehr singen. Aber du bist auch älter geworden, verständiger. Jetzt bist du in dich gekehrt, und in deinen Augen sehe ich Angst und Entsetzen. Diese Angst haben wir alle. Es schmerzt unendlich, dass du nach Hause mochtest, wir dich aber nicht mitnehmen dürfen. Du darfst deine Schwester nicht sehen, weil sie Windpocken bekommen hat. Aber ich verspreche dir, bald, meine liehe Louise, bald darfst du wieder nach Hause. Du hast es selbst gesagt: »Ersta Medazin, dann Hause!« Genauso ist es, mein süßer Schatz. Du durftest schon einmal zwei Tage nach Hause, in dein Zimmer, hast geschaukelt und gelacht, so wie wir dich kennen.
    Dein Mund ist wieder wund von der Chemotherapie. Doch der wird auch verheilen. Wie kann ich dich nur trösten, dir Hoffnung schenken? Wir lieben dich so sehr, du musst bei uns bleiben. Wir müssen diese Zeit gemeinsam durchstehen, wir werden immer bei dir sein. Ich will dich wieder laufen und tanzen sehen, mit deinen Umdrehungen und ausgestreckten Händen, kichernd, vor Freude glucksend und einfach glücklich.
Deine Mama Melanie
    Louise war gefährdet, weil sie ein Down-Syndrom hatte. Knochenmark gibt man bei diesen Kindern nicht so gern, erklärte man uns. Sie könnten »noch mehr« Hirnschäden davontragen. Unsere Louise hat keine Hirnschäden!, dachte ich. Sie ist etwas anders, aber nicht hirngeschädigt! Die Ärzte befürchteten, dass sie »noch behinderter« werden könnte, wenn sie die für eine Knochenmarktransplantation hoch dosierte Chemotherapie verabreicht bekäme. Also recherchierte man im In- und Ausland, welche Erfahrungen andere Ärzte mit behinderten Krebspatienten gemacht hatten.
    Die Chemotherapie war diesmal doppelt so lange, doppelt so aggressiv wie beim ersten Mal. Es waren wohl noch kleinste Leukämiezellen in ihrem Körper versteckt gewesen, die von den Tabletten der Dauertherapie anscheinend bloß unterdrückt worden waren. Nach Absetzen der Therapie hatte diese noch ungefähr drei Monate im Körper gewirkt, dann war es zum erneuten Ausbruch gekommen. Wie beim ersten Mal war Louise gerade ein paar Wochen im Kindergarten gewesen … jetzt hatten wir die Diagnose.
    Nachdem Loreen ihre Windpocken überstanden hatte, ließen wir sie wieder den Kindergarten besuchen. Louise lag mit wundem Mund von der Chemo auf der Kinderkrebsstation. Die beiden Schwestern hatten sich seit über zwei Wochen nicht gesehen. Das machte vor allem Louise sehr traurig.
    Ich wäre am liebsten jede Minute bei Louise in der Klinik geblieben, aber Loreen brauchte mich auch. Außerdem taten Louise Rolfs Besuche gut, er strahlte eine unglaubliche Ruhe und Zuversicht aus. Wenn ich nach Hause musste, blieb er bei Louise.
    Louise lag in ihrem Krankenhausbett und schaute ängstlich umher. Ich versuchte, ihr die Angst zu nehmen, streichelte über ihre Haare, massierte ihre Füße. Das hatte sie gern. Ich sang ihr Lieder vor, erzählte ihr Märchen. Rotkäppchen und Frau Holle liebte sie

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