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Glück, ich sehe dich anders

Glück, ich sehe dich anders

Titel: Glück, ich sehe dich anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Ahrens
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Krankenbett auf den Flur.
    Die Nachtschwester bekam bei unserem Anblick Panik. »Was haben Sie vor?«, fragte sie aufgeregt.
    »Ich schlafe mit Louise auf dem Flur oder im Spielzimmer!«, antwortete ich.
    »Das machen Sie nicht!«, sagte die Schwester entrüstet.
    »Und das mache ich doch!«
    »Sie können nicht dermaßen gegen unsere Stationsregeln verstoßen! Sie machen hier alles wach mit ihrem Bettengeschiebe!«, schimpfte die Schwester.
    Louise und ich waren wach! Und das nächtelang, seit Tagen, seit Wochen, seit Monaten. Ich ignorierte die Schwester und schob Louise durch den Flur ins Spielzimmer. Wir machten es uns dort gemütlich und verbrachten den Rest der Nacht in einer Stille, die wir während unseres ganzen Krankenhausaufenthaltes nie zuvor gehabt hatten.
    Die Mutter der Sirene traf ich am nächsten Morgen in der Küche. Dort hatte Louise großzügig Kakaopulver verschüttet. Ich schimpfte Louise aus. Die Mutter warf mir vor, ich würde mit Louise falsch umgehen. Man dürfe Kinder nicht ausschimpfen. Ich erwiderte: »Die Kinder müssen auch ihre Grenzen kennen. Es kann nicht sein, dass eine Mutter immer springt, wenn das Kind etwas verlangt, so wie du es machst. Dein Sohn ist ja total verwöhnt. Und ihr geht uns auf die Nerven. Ich habe ein ganz besonderes Kind und eine ganz besondere Beziehung zu meinem Kind. Ich liebe meine Tochter über alles. Du hast doch überhaupt keine Ahnung!«
    Louise rief: »Komm, Mama!«, in einem Ton, aus dem ich heraushörte: Lass die stehen, sie ist es nicht wert!
    Nach dem vierten Chemoblock hatten wir nun die Hälfte mm. Eine Roma-Familie war auf unserem Zimmer untergebracht. Von morgens acht Uhr bis in die Nacht war die gesamte Familie um das Bett der kleinen Patientin versammelt. Immer im Wechsel wurde Händchen gehalten, Bettdecke aufgeschüttelt, Spuckschale hingehalten, Rücken gekrault usw. Was für eine Familie? Ich hätte es besser gefunden, sie wären in einem Einzelzimmer untergebracht worden, denn ich empfand diese vielen Menschen als störend und belastend. Nicht die einzelnen Personen, aber diese große Anzahl der Leute. Sie waren alle nett und freundlich, hatten aber eine andere Mentalität als wir. Das nahm ich ihnen nicht übel, auf keinen Fall, aber es raubte mir meine Kräfte, die ich für Louise und meine Familie bewahren musste. Draußen waren über dreißig Grad, drinnen im Zimmer wohl noch mehr. Das Gerede und das Türengeklapper störten mich. Gegen Mitternacht war fast Ruhe, als plötzlich wieder vier Verwandte im Zimmer standen. Kurz darauf noch zwei. Wo kamen die her?
    Von der Terrasse! Ich stand noch einmal auf und sah nach. Alle Familienmitglieder saßen draußen auf der Terrasse. Ich kam mit der Familie ins Gespräch und setze mich eine Weile dazu. Die Mutter des kranken Roma-Mädchens betete für Louise, dass alles gut werde und dass diesmal nicht der Mund wund würde. Sie boten mir Schnitzel, Brötchen und Kaffee an. Das alles war sehr freundlich. Dennoch war ich froh, als das Mädchen am nächsten Tag entlassen wurde. Ich unterhielt mich gern mit ihnen, mochte aber keine Nacht länger mit der Familie das Zimmer teilen. Sechs Tage nach der Chemo »warteten« wir, dass die Entzündungen im Mund wie gewohnt auftraten, aber diesmal hatte Louise keine Beschwerden mit den Schleimhäuten.
    Ich dachte noch oft an die Roma-Familie.
    Das Weihnachtsfest durften wir zu Hause feiern, da die nächste Chemotherapie erst am zweiten Weihnachtstag begann. Die Mädchen staunten nicht schlecht, als der Weihnachtsmann durch unseren Garten stapfte, einen großen Holzbollerwagen voll Geschenke hinter sich herziehend. Er klingelte an der Haustür. Louise und Loreen rannten schreiend und juchzend zur Tür und öffnete ihm.
    Louise sagt: »Gute Tag, Zeinamann, komm rein, Zeinamann!«
    Louise und Loreen standen im Partnerlook vor dem Weihnachtsmann, um etwas aufzusagen. Sie sahen so süß in ihren Jeanskleidchen aus, hatten beide Gedichte und Lieder eingeübt. Louise begann: »Lieber Gott -« Dann schlug sie sich mit der Hand gegen die Stirn. Ihr schien plötzlich statt des Weihnachtsgedichtes das allmorgendliche Frühstücksgebet in den Sinn gekommen zu sein. »Falsch, noch mal!«, rief sie und fing noch einmal an. »Lieber, guter Zeinamann. Was schaust du so böse aus? Stecke deine Rute ein und immer schön artig sein!« Sie applaudierte sich selbst, und alle Gäste – Oma Hannelore, Opa Wolfgang, Oma Karin, Opa Rolf, Sammy und Matthias – lachten.
    Der

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